Information
Vote
In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im nächsten Beitrag geben könnt. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl ausreichend begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.
Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Zitat von AufgabenstellungKennt ihr das, wenn ihr ein Bild betrachtet, euch Gedanken zu macht und plötzlich habt ihr die Idee zu einer Geschichte im Kopf? Genauso wie einen beim hören von Musik die Muse küssen kann, kann das auch beim betrachten von Bildern passieren und genau das ist die Idee von diesem Wettbewerb. Lasst euch von einem Bild eurer Wahl inspirieren und schreibt eine kurze Erzählung dazu. Gebt bitte das gewählte Bild mit an sowie eine Quellenangabe. Ein Pokémonbezug ist zudem nicht verpflichtend.
Ihr könnt 6 Punkte verteilen, maximal 3 an eine Abgabe.
ZitatID:
AX:
AX:
AX:
Schreibt in die Schablone bitte ausschließlich die Zahlen eurer ID und der Punkte ohne zusätzliche Begriffe. Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 23.07.2017, um 23:59 Uhr.
@Obscuritas, @Nexy, @Rusalka, @Cyndaquil, @*Miro*, @Galileo, @Thrawn, @Wenlok Holmes, @Naoko, @Kiriki-chan, @Akanee, @'Avalanche', @Frechdachs, @Caroit, @#shiprekt, @Cassandra
Die Quellenangaben werden nach dem Vote veröffentlicht und im Startpost ergänzt.
Karpador Jump
Als ich hierher kam, war ich ein normaler Pokémonzüchter. Ein angesehener, ohne Zweifel, aber auch einer ohne wirkliches Ziel. Wo wollte ich hin? Was wollte ich erreichen? Auf nichts von alldem kannte ich die Antwort, als ich Pokémon aus aller Herren Länder großzog. Ich trainierte das mutigste Lusardin, das verschlagenste Finneon und das schönste Barschwa von allen. Das brachte mir viele Bewunderer ein, Anerkennung und auch einen gewissen Reichtum. Aber mich persönlich weiter brachte nichts davon. Ich fühlte mich verloren, einzig geleitet von den Erwartungen der anderen.
Doch dann landete ich hier. Und endlich fand ich meine Aufgabe. Ich bekam ein Aquarium, ich bekam eine Angel, und so fing ich an. Mein erstes Karpador war für meine Verhältnisse noch nicht sehr beeindruckend. Es gewann eine Liga, gut, aber sehr hoch sprang es trotzdem noch nicht. So machte ich es zu meinem Ziel, das beste Karpador von allen zu finden. Karpador um Karpador fischte ich aus dem Teich. Die meisten waren eher mittelmäßig, doch einige hatten Muster, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie waren rosa, grau, lila, weiß, selbst einige goldene Exemplare begegneten mir auf meinem Weg. Doch irgendwann verloren all diese Muster ihren Reiz. Ich hatte das Gefühl, nichts Neues mehr zu entdecken zu haben. Einmal fing ich ein Dratini, doch es wurde mir weggenommen. Ich war frustriert. Ich stand kurz davor, meine Karriere einfach hinzuschmeißen. Doch dann kam es.
Ich hatte gerade das Training eines grauen Karpador beendet, das mir die Zeit, es vollständig großzuziehen, nicht wert schien. Mit einem Seufzen ging ich zum Bürgermeister, um ihm zu erklären, dass ich einen neuen Fisch brauchte.
„Du siehst so deprimiert aus. Was ist denn los?“, fragte er.
„Ach, ich weiß auch nicht“, sagte ich. „Seit Monaten trainiere ich nun diese Karpador, und es hat einfach seinen Reiz verloren. Ich finde keine neuen Muster mehr. Sie sind einfach alle gleich gut. Ich fürchte, für mich gibt es hier nichts mehr zu entdecken.“
„Sag das nicht“, sagte der Bürgermeister. „Halt den Kopf hoch. Vielleicht findest du ja irgendwann ein legendäres Karpador. Es gibt da draußen Muster, die so selten sind, dass selbst ich sie noch nie gesehen habe.“
„Ja, vielleicht …“, murmelte ich und ging weiter zum Teich.
Angelo überreichte mir eine seiner wundervollen alten Angeln. Ich setzte mich ans Ufer und warf die Angel aus. Angelo stand in einiger Entfernung hinter dem Zaun und beobachtete mich. Ich wartete. Die Angel bewegte sich. Ich zog daran. Ein rotes Karpador hing an der Schnur.
„Ein gewöhnliches Karpador“, kommentierte Angelo.
„Was du nicht sagst“, murmelte ich und warf das Karpador zurück ins Wasser. Ich ließ mir von Angelo einen neuen Köder geben und warf erneut die Angel aus. Einige Zeit später bewegte sich die Angel wieder. Ich zog daran. Das Pokémon wehrte sich. Ich zog fester und noch fester, bis es endlich aus dem Wasser gesprungen kam. Es war ein goldenes Karpador.
„So ein Karpador habe ich noch nie gesehen“, kommentierte Angelo.
„Doch, hast du“, murmelte ich, „dabei hast du genau das die letzten dreiundzwanzig Male auch gesagt, als ich so eins gefangen habe.“
Ich gab mich mit dem Fisch zufrieden und ging zurück zum Aquarium. Der Bürgermeister lobte mich für meinen großen Einsatz. Ich setzte das Karpador ins Wasser und gab ihm Beeren und Kekse. Dabei beobachtete ich sein Verhalten, um ihm darauf basierend einen passenden Spitznamen geben zu können. Es war ein sehr aufgewecktes Karpador mit einem gesunden Appetit. Es verstand sich auf Anhieb wunderbar mit Plinfa, Pikachu und den anderen Pokémon, die ebenfalls beim Aquarium lebten. Und mir fiel eine ganz spezielle Besonderheit ein: Seine Barteln waren weder weiß noch golden, sondern glänzten in den Farben des Regenbogens. Ich konnte nicht sagen, ob es ein Männchen oder ein Weibchen war. So ein Karpador hatte ich tatsächlich noch nie gesehen.
„Ich nenne dich Rainbro“, sagte ich und grinste. Für einen Moment bildete ich mir ein, das kollektive Klatschen von Flossen gegen Karpadorstirnen zu hören, doch ich schob es auf meine Einbildung. Ich wusste doch, dass meine Karpador meine tollen Spitznamen liebten. Rainbro schien über seinen Namen zumindest sehr glücklich zu sein.
Nachdem mein kleines Karpador etwas gewachsen war, entschied ich mich, mit ihm zum ersten Mal eine Liga herauszufordern. Ich stand mit Pikachu am Rand und feuerte es an.
„Spring, Rainbro!“, rief ich. Und es sprang. Es besiegte den ersten Gegner ohne Probleme und grub sich mit der Wucht seines Aufpralls in den Boden. Dieses Karpador war wirklich erstaunlich. Es war noch nicht einmal zur Hälfte ausgewachsen und sprang bereits derart hoch. Mit einem Grinsen in unseren Gesichtern machten wir uns auf zum zweiten Kampf. Dann zum dritten. Dann zum vierten. Erst beim fünften Kampf der Meister-Liga unterlag Rainbro seinem Gegner um einige Zentimeter.
Ein kleiner Junge kam nach dem Kampf auf uns zu und feuerte uns an und versicherte uns, dass wir mit etwas mehr Training schon bald gewinnen würden und dass er immer unser Fan bleiben würde. Rainbro fühlte sich dadurch hochmotiviert. Zusammen gingen wir los, um Sprungübungen zu machen. Es strengte sich an wie noch nie. Als wir beide komplett erschöpft waren, gingen wir zurück zum Aquarium und ich gab meinem kleinen Karpador Futter. Ich sah, wie es wuchs und leuchtete. In einem Moment würde sein volles Muster zur Geltung kommen.
Rainbro hörte auf zu leuchten. Ich glaubte meinen Augen kaum. Seine Schuppen glänzten genauso wie seine Barteln in allen Farben. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Rainbro war ein wandelnder Regenbogen, ein wunderschönes Exemplar einer Art, von der ich eigentlich dachte, schon alles gesehen zu haben. Voller Motivation trainierten wir zusammen weiter. Es wurde stärker und stärker, sodass wir erneut beschlossen, die Meister-Liga herauszufordern.
Seine Sprungtechnik war unvergleichlich. Er besiegte Gegner um Gegner. Er sprang und sprang und sprang, als wäre das sein einziger Sinn im Leben. Und so errangen wir den Sieg. Begeistert von unserem Können kam der Bürgermeister auf uns zu gelaufen.
„Meinen Glückwunsch, du hast die stärkste Liga des Landes besiegt“, sagte er voller Stolz. „Unglaublich, dass ein Karpador aus meinem Teich es so weit bringen kann. Ich wusste, dass du ein vielversprechender Züchter bist, als ich dich sah.“
„Vielen Dank, Herr Bürgermeister“, sagte ich zufrieden. „Sie hatten wohl recht. Ich habe wirklich ein legendäres Karpador gefangen.“
„Oh ja, das hast du“, sagte er. „Und jetzt werdet zu Legenden. Ich melde euch für die Weltmeisterschaft an.“
„Die … Weltmeisterschaft?“, fragte ich, völlig überrumpelt.
„Genau“, antwortete der Bürgermeister und grinste. „Keine Angst, für die Kosten komme ich natürlich auf.“
Sie sah für ihn wie ein ganz normaler junger Mann aus, der gerade frisch von der Arbeit kam – sein dunkelblauer Anzug, den er über seinem weißen Hemd trug, hatte bereits seinen glänzenden Schimmer verloren, erfüllte dennoch seinen eigentlichen Zweck. Er wirkte angespannt, zerrte des Öfteren nervös an seiner schwarzen Nobelkrawatte und suchte mehrere Male etwas in seiner Innentasche, doch fand nie das, was er all die Zeit lang suchte. Er wartete wie ihre Mutter und sie an die Bushaltestelle in der Stadtmitte und hielt einen schwarzen Lederaktenkoffer fest in seiner rechten Hand. Sie schaute zu ihm hin, schenkte ihm, um ihn zu entspannen, ein Lächeln, doch seine kalten, dunkelbraunen Augen schauten nur desinteressiert zurück. Als sie bemerkte, dass sie nichts mehr großartig ändern konnte, wendete sie sich wieder ab und dachte darüber nach, wann wohl endlich der Bus kommen würde, um diese beklemmende Situation aufzulösen.
Doch dann erregte er ein weiteres Mal ihre Aufmerksamkeit, als er etwas in einer fremden Sprache in einer befremdlich lauten Lautstärke schrie und danach mit seinem Koffer direkt in die Menschenmasse stürmte. Nur einen Bruchteil einer Sekunde später überwältigte sie eine gewaltige Druckwelle, die sie auf den rauen Erdboden schleuderte. Ihre Glieder waren zu träge, um aufzustehen, und ihre Augen wurden langsam schwer.
"Marianne!", rief plötzlich eine Stimme ihren Namen, die sie vom Einschlafen abhielt und sie wieder neue Kräfte zukommen ließ.
Sie war sich sicher, dass ihre Mutter, die eben noch neben ihr stand, sie zu ihr rief, doch das Kind konnte sie nirgends finden. Mit dem Willen, sie wiederzufinden, stütze sich Marianne mühevoll auf und blickte in die Weiten der nun menschenleeren Straße.
"Wie?", überlegte sie laut, "Wie lange war ich nur weg?"
Sie ging wenige Schritte in die Leere voraus, als sie plötzlich am entfernten Ende des Weges den Mann im dunkelblauen Anzug erkannte. Unbemerkt spazierte sie auf ihn zu, sodass sie nun von unten direkt in seine kalten Augen blickte.
"Wo ist meine Mutter?", fragte sie den Mann, der nur vor sich hin lachte und sich, als sich plötzlich ein dichter, weißer Nebel hinter ihm aufbaute, auf einmal in der windstillen Luft auflöste.
Verzweifelt hockte sie sich mit dem Gesicht zum Boden gerichtet inmitten des weißen Nebelumhangs hin und war kurz davor, aufzugeben.
"Und was machen wir nun?", ertönte plötzlich eine ihr unbekannte Stimme.
Das Mädchen dachte, dass sie sich diese nur einbildete, doch, als noch weitere, die das Kind unmöglich überhören konnte, auftauchten, blickte sie auf und erkannte einzelne Silhouetten.
"Keine Ahnung! Woher soll ich das wissen?", antwortete der zweite Schatten auf die eben gestellte Frage, "Warum fragst du nicht ihn?"
"Was? Mich? Wieso sollte er denn mich fragen? Ich habe doch sowieso keinen Plan! Hatte ich noch nie und werde es auch nie!", motzte er herum.
"Können wir dann einfach zurück zum Park?", schlug der erste Schatten vor.
"Wieso nicht? Aber wo geht's lang?", fragte er sich.
Marianne wollte ihre Chance nutzen und die drei dunklen Gestalten fragen, ob sie ihr bei ihrer Suche helfen können, doch ehe sie die Gelegenheit eingehen konnte, waren sie auch schon wieder im Nebel verschwunden. Entmütig stand sie vor der dichten Nebelwand, als ein helles Blitzlicht aufblinkte.
"Eine wundervolle Architektur!", schwärmte jemand vor sich hin. Marianna drehte sich um und erkannte einen Umriss, den sie einfacher deuten konnte, als die drei Schatten von vorhin. Der Umriss gehörte einer Touristin, die einen fetten Fotoapparat in der Hand hielt sowie ein weißes Top und einen schwarzen Rock trug.
"Ein wundervoller Urlaub! Ich freue mich schon, meine Erinnerungen mit meinen Liebsten Zuhause zu teilen!", redete sie weiterhin mit sich selbst, während sie ihre Fotos auf dem kleinen Monitor ihrer Kamera betrachtete und, so schnell sie aufgetaucht war, schon wieder verschwand, noch ehe das Mädchen versuchte, nach Hilfe zu fragen.
"Wer sind diese Menschen?", dachte Marianne laut nach, "Und wieso können sie mir nicht helfen?"
"Du darfst nicht aufgeben, Schatz", ertönte es hinter dem Kind, das dachte, ihre Mutter zu hören, "Irgendwann wird es dir gelingen, da bin ich mir sicher!"
Marianne drehte sich um und sah eine Mutter, jedoch nich ihre, die mit ihrem Kind durch die Stadt spazierte und dabei versuchte, nicht auf die Linien der Pflastersteine zu treten.
"Geh' es einfach langsamer an, wenn es dir zu schnell geht!", munterte sie ihr Kind auf und verschwand mit ihm an der Hand auf geisterhafte Art und Weise im Nebel.
"Warte Sie doch bitte! Warten Sie bitte und helfen Sie mir!", rief das Mädchen den beiden hinterher, doch ihr Hilferuf verstummte. Stille.
"Ich freue mich schon sehr auf heute Abend, und du?", fragte ein weiterer Schatten mitten in die Leere. Marianne schaute sich um und erkannte nur wenige Meter vor sich zwei Schatten, die einem Pärchen gehörte. Während die junge Frau einen weißen Hut, eine warme, schwarze Jacke und eine dunkle Jeans trug sowie eine beinahe riesige Handtasche bei sich hatte, trug ihr Freund eine Sonnenbrille, ein langärmliges weißes T-Shirt und eine schwarze Jogginghose sowie eine lange, schwarze Jacke, die er um seine Hüfte gebunden hatte.
"Sicher tue ich das!", antwortete er ihr, "Was für ein Mensch wäre ich, wenn ich mich nicht auf das gemeinsame Abendessen mit unseren Familien im Restaurant 'À la carte' freuen würde, haha?"
"Moment, meinst du das gerade ironisch?", hinterfragte sie seine Aussage, blieb stehen und schaute ihn misstrauisch von der Seite an.
"Also, ich…", stoppte er kurz, um zu überlegen.
"Moment! Bitte, warten Sie doch!", rief das Kind ihnen hinterher, "Bitte, hören Sie mir zu!"
"Hmm?", murmelte die Frau vor sich hin, "Ja, bitte? Was ist denn los?"
"Sie… sie können mich sehen? Und auch hören?", sagte das Mädchen ungläubig.
"Natürlich, wieso…?", dachte er laut nach, nach er von Marianne unterbrochen wurde.
"Nicht so wichtig…", antwortete sie, "Haben Sie hier vielleicht irgendwo meine Mutter gesehen?"
"Wenn ich genauer darüber nachdenke… ja, ich glaube schon. Haben wir nicht eine Frau gesehen, die dort, am Ende der Straße, verzweifelt nach ihrer Tochter gesucht hat?", fragte sich die Frau selber, während sie ihren Freund anschaute, der ihr zu nickte, "Wenn du magst, kann ich dir zeigen, wo wir sie gesehen haben."
Zwischen den dichten Nebelschwaden öffnete sich ein schmaler Pfad, der sie direkt zu ihrem Ziel bringen sollte.
"Dir nach!", munterte die junge Frau das Kind, das sofort den Weg antrat, auf.
Sie ging zuerst nur, dann rannte sie und schließlich ging ihr Rennen in schnelles Sprinten über, sodass sie in nur wenigen Sekunden die weite Strecke zurückgelegt hatte und nun vor einem großem Tor stand, aus dem Licht strahlte und die herzhafte Stimme ihrer Mutter zu hören war.
Marianne verschnaufte einen Moment, bevor sie durch das große Tor trat und ihr Körper im hellem Licht verschwand.
Vor langer Zeit schenkte man mir ein Grundstück. Es lag völlig brach und ungenutzt, hatte keinen Zweck und keine Bestimmung. Ich wusste nicht was ich damit anfangen sollte, nicht einmal begriff ich, welchen Wert ich mit dieser Schenkung erhalten hatte. Das Grundstück war da, ich stand darauf. Das war alles, was ich wusste.
Eines Tages schnappte ich mir einen Ball und ging damit auf mein Grundstück. Ich kickte ihn ein wenig durch die Gegend und warf ihn. Ja. Das war gut. Dafür war dieses Grundstück gut. Man konnte darauf spielen, toben und Spaß haben. Und dann, dann wenn man genug gespielt und getobt hatte, dann konnte man sich vor Erschöpfung keuchend in das kühle Gras fallen lassen und den Himmel betrachten, die Wolken deuten und die Sonne bei ihrem Lauf über den Himmel folgen. Genau so wollte ich mein Grundstück immerzu nutzen. Dies sollte seine Bestimmung werden.
Irgendwann aber kam ein Mann zu mir. Ich weiß nicht mehr, wie er aussah, doch ich weiß noch, was er mir mitteilte. Ist das nicht verrückt? Im Grunde weiß ich nur noch von der Idee, die er mir hinterließ, sein Abbild selbst hat sich komplett aus meinen Erinnerungen verabschiedet, fast so, als sei diese Idee schon immer da und eine unumstößliche Wahrheit anstatt die Haltung einer einzelnen Person. Der Mann damals sagte zu mir, ein solch schönes Grundstück könne man doch nicht ungenutzt lassen. „Aber ich nutze es doch“, hatte ich ihm entgegnet „sehen Sie denn nicht, dass ich jeden Tag hier spiele?“
Ein solches Grundstück sei nicht zum Spielen, hatte er gesagt. Dafür seien Grundstücke nicht da, nicht bei dieser schönen Lage. Ich sollte etwas bauen, etwas großes, etwas tolles! Dann würde ich den wahren Wert des Grundstückes erkennen.
Daraufhin verfiel ich ins Grübeln. Etwas bauen… etwas bauen… Was sollte ich denn bauen? Warum konnte ich denn das Grundstück nicht einfach so weiter benutzen, wie ich es immer tat, wie es mir Spaß machte? Nein, der Mann hatte vermutlich Recht. Ich musste etwas anderes finden, das ich damit anstellen konnte und für gewöhnlich baut man auf Grundstücken, also würde auch ich das tun. Ich sah mich in der Gegend um und versuchte Ideen zu finden, wollte mir Inspiration für meinen Bau holen. Ich entdeckte prachtvolle Gebäude, deren Bau zweifelsohne sehr viel Zeit beansprucht haben mussten. Die Besitzer konnten Stolz auf ihre Werke sein. Ich entdeckte Baustellen, mal mehr mal weniger weit fortgeschritten. Eines Tages würden auch hier stolze Architekturen das Auge entzücken und die anderen Grundstückbesitzer beeindrucken. Doch ich entdeckte auch einige gescheiterte Projekte, Bauruinen in denen keiner mehr anzutreffen war und denen es in jeglicher Form misslang, das Herz des Betrachters zu erfreuen. Ich hastete an diesen Gebilden vorbei, ich brauchte sie mir nicht anzusehen, ich würde es besser machen, das wusste ich.
Ich begann zu planen. Entwickelte Ideen, verwarf sie wieder und wendete mich neuen zu. Nach und nach entstand vor meinem geistigen Auge ein Haus, wie es auf meinem Grundstück stehen sollte. Ein großes mächtiges, mit ausgefallener Architektur und ausufernden Glasfronten, damit die Leute auch das wunderbare Innere betrachten konnten. Es sollte das schönste seiner Art, das schönste der Welt werden, in jeder Hinsicht perfekt. Ja, so sollte mein Haus werden und als ich mir darüber im Klaren war, nahm ich einen Spaten und begann...
Die Zeit verstrich ins Land und unablässig baute ich an meinem Haus. Das Fundament war gelegt und erste Mauern warden hochgezogen. Bisweilen kam es vor, dass ich Einzelheiten meines Plans veränderte und durch noch bessere Einfälle ersetzte. Es sollte ein gutes Haus werden, das beste Haus.
Irgendwann gelang es mir, Helfer für meinen Bau einzuspannen. Teilweise bezahlte ich sie für ihre Mitarbeit, teilweise waren sie aber auch so begeistert von meinem Vorhaben, dass sie sich freiwillig daran beteiligten.
So wurde aus dem einstmals unbedeutenden Grundstück ein Gebilde von umwerfender architektonischer Feinheit. Das großartigste Gebäude, das je erbaut worden war, da war ich mir sicher. Die Leute kamen vorbei und betrachteten es staunend und sie rissen sich darum einen Blick ins Innere zu werfen und vielleicht, wenn ihnen solch ausgesuchtes Glück zuteilwerden sollte, als einer meiner Diener dort regelmäßig zu verkehren. Vielleicht – so dachten sie wohl – färbe ja ein Teil meiner Brillanz auf sie, die einfachen Leute von der Straße, ab.
Doch nachdem meine anfängliche Freude sich gesetzt hatte überkam mich eine Unruhe. Etwas fehlte. Wie konnte das sein? Etwas fehlte in meinem perfekten, makellosen Haus? Unmöglich! Doch ich fühlte mich unbefriedigt, nicht erfüllt und ruhelos. Ich hatte alles was ich wollte, doch es fühlte sich so wertlos an. So verließ ich meine Festung und begab mich auf die Straßen, die ich schon so lange nicht mehr entlanggewandert war. Ich suchte bei den anderen Gebäuden nach Dingen, an denen es bei meinem fehlte. Vielleicht waren es ja nur Nuancen, die den Unterschied bedeuteten und ich war gewillt diese zu finden und auszumerzen. Doch wohin ich auch kam, alles was ich sah war ein billiger Abklatsch meines Palasts, nichts was sich mit ihm messen konnte, nichts was meiner Aufmerksamkeit länger nötig verdient gehabt hätte. An Nachahmern meines Baut mangelte es wahrlich nicht, ich erkannte die eifrigen Versuche, meine Stil zu kopieren und konnte – obgleich dieses Kompliments – nur müde über ihre Einfallslosigkeit und fehlende Kreativität lächeln.
Doch an einem Grundstück blieb ich stehen…
Es war eines jener Grundstücke auf denen ich vor Jahren, bei meinen ersten Rundgängen nur eine Bauruine vorgefunden hatte. Diese war nun weitestgehend beseitigt, nur ein kleiner Haufen Steine erinnerte noch an sie. Der Rest des Platzes war mit einer saftig grünen Wiese ausgestattet und auf dieser sah ich den Besitzer mit einem Ball. Er spielte, tobte und lachte. Ich beobachtete den Besitzer und eine tiefe Sehnsucht erfüllte mich. Er sah aus wie ich, damals als ich den Wert meines Grundstückes darüber definiert hatte, wie gut man es zum Spielen nutzen konnte. Oh welch unbeschwerte Zeit dies doch gewesen war…
Ein Mann trat neben mich und als er sprach erkannte ich, es war derselbe Mann, der mich damals zum Bau meines Hauses aufgefordert hatte.
„Aus manchen Menschen wird nie etwas“, sagte er. „Sieh dir ihn hier an: Er hat nichts und weiß nicht einmal, wie sehr ihm das fehlt. Er ist nicht so klug, wie du und ich es sind. Er ist ein Narr, nichts als ein Narr!“
Da erkannte ich, was mir fehlte, ich erkannte den Klugen und ich erkannte die beiden Narren, die vor seinem Grundstück standen und ihn nicht verstanden.
Endlich war es soweit! Für die zwölf Jährige Selma, ihren Eltern und ihrem Labrador-Mischling Marlon ging es in die Berge. In den Bergen sah man viele verschiedene bunt blühende Pflanzen, die sehr wunderbar dufteten. Es gab viele Seen, die mit schmalen Flüssen verbunden waren.
Sie fuhren dort jedes Jahr mit dem Wohnmobil hin, immer auf den gleichen Campingplatz, der direkt an einem See lag, wo die Berge ganz nah waren. Der Campingplatz war sehr groß, hieß, er hatte viele Stellplätze für Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile. Zudem kann man auch dort Wohnwagen und Wohnungen Mieten. Für die Kinder gab es Spielplätze und Animation, die auch für Erwachsene angeboten wurden.
Was Selma an dem Campingplatz auch immer sehr schön fand, dass es dort eine Reiterbahn gab, wo täglich von mittags bis abends geritten werden kann, zumindest wenn man sich ein Pflegepony aussucht. Morgens wurden alle Pferde von der nahgelgenen Koppel ohne Sattel hoch geritten und abends werden sie dann nach dem Ausritt wieder runter geritten. Selma fand das Cool, denn so hatte sie jeden Tag Pferde um sich.
Dort darf sie auch einige Ausritte an den Strand und durch die Berge mitmachen. Das war auch ihr erstes Ziel, nachdem sie auf dem Campingplatz endlich ankamen. Sie ging zum Betreiber Simon, den sie schon sehr gut kannte.
„Na machst du auch in diesem Jahr wieder hier Urlaub?“, fragte Simon.
„Na klar, immer doch!“, antwortete Selma freudestrahlend.
Da bemerkte Simon den Labrador-Mischling, der still und heimlich sich an seinem Bein rieb. „Na, wen haben wir denn da, du bist aber neu, oder?“
„Ja, das ist er, wobei so neu ist Marlon gar nicht mehr, den haben wir jetzt schon etwa ein halbes Jahr. Aber es ist sein erster Urlaub in den Bergen.“ Erzählte Selma glücklich.
Ursprünglich wollte die Familie nämlich überhaupt keine Haustiere haben. Selma hatte so gebettelt, dass die Eltern dann doch klein bei gegeben hatten und somit waren sie zum nächsten Tierheim gefahren und hatten sich einige Hunde angeschaut. Marlon hatte sie so liebenswürdig angeschaut, dass sie nicht anders konnten, als ihn mitzunehmen.
Nachdem Selma die ganzen Pferde angeschaut hatte, ging sie zu ihrem Stellplatz und holte sich ihr Fahrrad, womit sie nachschauen fuhr ob schon ihre Freundin angereist war. Ihre Freundin Lara, traf sie jedes Jahr auf dem Campingplatz, zudem war sie genauso eine Pferdenärrin, wie Selma. Wenn Selma und Lara beide da waren, ließ Simon die beiden auch gerne zusammen Ausreiten. Häufig erst, wenn sie vorher einen Ausritt mitgemacht hatten. Denn jedes Jahr ist auf den Strecken etwas anders, als noch vor einem Jahr und deswegen mussten sie vorher mit Simon zusammen einen Ausritt mitgemacht haben. Das fanden die beiden immer total öde, auch wenn sie es einsahen.
Da es am nächsten Tag nicht zu warm war, gingen sie zur Reiterbahn und fragten Simon: „Du, Simon, dürften wir heute zusammen mit den Ponys Geocaching* machen?“
„Ja, ausnahmsweise, aber unter zwei Bedingungen.“
„Ja, und die wären?“
„Ihr steigt ab, wenn es zu gefährlich wird und nicht zu viel Galoppieren, ich brauche die Ponys heute Abend beim Ausritt noch, also nicht zu sehr auspauern.“
„Machen wir, versprochen!“ So holten sie die Ponys von der Koppel und machten sie Startklar. Lara nahm ihren Liebling Max, einen fuchsfarbenen Isländer Mix und Selma nahm Pico ein schwarzes Deutsches Reitpony.
Zuerst putzten sie die Ponys, danach sattelten und trensten sie Sie. Daraufhin kontrollierte Simon noch mal bei Max und Pico, ob alles soweit richtig verschnallt wurde. Und dann ging es auch endlich los.
Und so ritten sie zum warm Reiten im Schritt vom Campingplatz und als sie außer Reichweite waren, gingen sie über in Trab und da ab und zu Streifen weiches Gras kam, galoppierteten sie ein bisschen. Da Selma und Lara ja Geocachen wollten holte Selma ihr Gerät raus und suchte schon mal den ersten Cache, der sogar recht nah schien.
Um zum ersten Cache zu gelangen mussten sie in den nahegelegenen Wald reiten. Der kleine Wald lag zwischen dem See und den Bergen. In dem Wald sah es sehr Mystisch aus, als ob da Feen drin Hausen würden, zudem roch es dort auch immer sehr süßlich, nach Waldkräutern.
Aufgeregt sagte Lara: „Schau mal, dort hinten laufen Rehe.“
„Stimmt!“ antwortete Lara augentrahlend.
Doch das die Rehe rannten, war kein Zufall, denn plötzlich hörteten sie Quadgeräusche. Und dann sahen, sie auch warum die Rehe rannten und nicht friedlich grasten. Zumal die Ponys das auch nicht gerade sehr schön fanden und versuchten auszubrechen. Wenn Selma und Lara nicht ihre beiden Lieblinge gut gekannt hätten, hätten sie die beiden nicht so schnell wieder beruhigt bekommen. Trotzdem war Selma ziemlich wütend, denn das hätte auch schlimmer ausgehen können.
Als der kleine Schreck vorüber war, stiegen die beiden von den Ponys ab. Dann fingen sie an, den Cache zu suchen, denn der musste ganz in ihrer Nähe liegen. Und so war es auch, denn er war ziemlich leicht zu finden. Zumindest wenn man den Infotext zu dem Cache auch gelesen hatte, denn dort stand: Suchet ein kleines Holzhäuschen, was von Feen besetzt sein könnte, dort drinne ist der Cache.“
Das Häuschen war sehr schön gebaut, aber auch so gestellt, dass es nicht gleich jeder sehen konnte. Nun trugen sie sich in dem Logbuch ein.
Danach suchten sie noch einen und der ging erst ein Stückchen durch die Berge und dann direkt zum See. Diesen Weg erkannten Selma und Lara sehr schnell, denn dort ritten und liefen sie als Führer jeden Tag mit Simon entlang. Als sie etwas an Höhe gewonnen hatten, konnten die beiden sehr schön in die Weite blicken, was sie sehr genossen. Diese Ruhe, die nur von den Bergziegen gestört werden konnte, mochten sie sehr. Gut dass Max und Pico die Bergziegen kannten und somit sehr gelassen dran vorbei liefen. Selma fragte: „Wollen wir nicht mal ein Foto mit den Pferden, Bergziegen und uns versuchen?“
Lara fand die Idee klasse, allerdings klappte es nicht ganz so gut, denn irgendwas war immer abgeschnitten, entweder war es einer der Köpfe, oder die Ziegen waren nicht mit drauf. Zum Glück kamen gerade Spaziergänger vorbei, die Lara fragte: „Könnten sie eben ein Foto uns beiden auf den Ponys mit den Bergziegen im Hintergrund machen?“
Die Spaziergänger machten dass sehr gerne und so hatten die beiden endlich ein Foto, wo sie in den Bergen auf den Pferden mit den Bergziegen im Hintergrund drauf waren.
Als sie am See ankamen, kam der Quadfahrer wieder vorbei gesaust und dieses Mal hatten sie nicht ganz so viel Glück und die Ponys erschraken so sehr das sie durchgingen. Zum Glück waren Selma und Lara Sattelfest. Somit wussten sie, wie sie oben blieben und gleichzeitig die Ponys wieder beruhigen konnten. Zudem bestand der Boden ja aus Sand, aber dennoch wäre Runterfallen nicht ganz so toll gewesen. Da sich Pico und Max nicht so schnell beruhigten, stiegen Selma und Lara für einige Minuten ab. Das half, zudem wollten sie ja eigentlich den Cache suchen, aber das ließen sie jetzt bleiben. Dazu waren sie einfach schon zu nah an der Reitbahn.
In den nächsten Tagen, ging Selma morgens zur Animation, wo sie die Sportlichen Teile mitmachte, wie Action-Games, Fun-Golfen und Jumpstyle und am Nachmittag ging sie dann mit Lara zusammen zum Reiten.
Wenn sie auf nichts von den Sachen Lust hatten, wie am vierten Campingtag, fragte Lara Selma: „Hättest du Lust Heute an den Strand zu gehen? Es soll ja heute so warm werden und da habe ich keine Lust auf reiten oder sonstige Aktivitäten.“
„Können wir gerne machen. Am besten wir gehen an den Hundestrand, dann können wir mit Max, und Marlon zusammen baden gehen. Zudem war dort in der Nähe ja auch das Beachvolleyball Feld, vielleicht sind dort ja welche und lassen uns mitspielen. Notfalls spielen wir alleine.“
„Das mit dem Baden finde ich eine gute Idee aber auf Beachvolleyball habe ich Heute keine Lust!“, Stimmte Lara Selma zu.
Und so machten sie sich auf zum Strand, der beste an dem See. Der bestand aus richtig angenehm weichen Sand und hatte keine groben Steine, wie an den anderen Stränden. Zudem ist das Wasser dort auch sehr klar.
Nachdem Max und Marlon von der Leine genommen wurden, rannten sie direkt ins kühle Nass. Sie liebten es im Wasser zu toben. So schnell kamen Selma und Lara nicht hinterher, denn sie mussten ja noch ihre Strandtücher ausbreiten und sich ausziehen. Die Schwimmsachen hatten sie sich schon im Wohnmobil angezogen.
Danach rannten die beiden direkt zu Marlon und Max ins kühle Nass, wo sie mit den mitgebrachten Bällen spielten.
Schade dass der Urlaub nach drei Wochen auch schon wieder vorbei war, Selma könnte dort die ganzen Ferien bleiben, aber dagegen hatten ihre Eltern was. Sie vermisste nach dem Urlaub immer diese Unbeschwertheit bei den Ponys.
*Geocaching ist eine Schnitzeljagd nur mit moderner Technik.
Die Wächterromane von Sergej Lukianenko
Ungewöhnlich strahlend hing die Sonne am wolkenlosen Himmel und tauchte die unter ihr liegende Großstadt in ein warmes, fröhliches Licht. Wo immer ihre kraftvollen Finger über festen Untergrund strichen hinterließen sie eine unsichtbare Spur auf dem rissigen Pflaster der alten Zarenstadt.
Nachdenklich blickte Sebulon, der oberste Chef der Tagwache Moskaus und einer der mächtigsten dunklen Anderen aus dem Fenster seines luxuriös eingerichteten Büros. Ein großes Portrait seiner selbst zierte die breite Wand hinter seinem ausladenden Schreibtisch, auf dem jedes seiner Arbeitsutensilien akkurat aufgereiht darauf wartete, zum Einsatz zu kommen.
Der Magier seufzte schwer. Es gab dieser Tage nichts wirklich Interessantes zu tun.
In diesem Moment klopfte es zaghaft an der Tür und eine blasse, magere junge Frau betrat zögernd das Büro.
„Sir, hier ist der Bericht über die letzten 'Van Hellsing'-Opfer, den Sie wollten!“, stieß sie schließlich hervor und streckte die Hand mit der schwarzen Ledermappe weit von sich.
In letzter Zeit hatte es eine Serie brutaler Morde an Vampiren im Stadtbezirk gegeben, die noch immer nicht aufgeklärt werden konnten.
Erneut seufzte Sebulon und fuhr sich durch die kurzen, sorgsam gekämmten Haare.
Nichts Interessantes, wie er schon festgestellt hatte.
„Sei so gut, meine Liebe“, erwiderte er, ohne sich umzudrehen, „und leg das auf meinen Schreibtisch, ja? Ich kümmere mich später um darum.“
Hastig verließ die Mitarbeiterin der Tagwache, eine frisch in die Gemeinschaft der magischen Anderen eingeführte Werwolffrau, das Büro ihres Chefs.
„Immer diese dilletantischen Neulinge“, murmelte dieser resigniert und schloss einen Moment die Augen.
Eine gewisse Unruhe ergriff den Dunklen, was wohl auf seine gähnende Langeweile zurückzuführen war.
„Vielleicht wird es einmal wieder Zeit, meiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen“, dachte er laut. Er warf einen Blick über die Schulter auf den Schrank, in dem seine nicht unerhebliche Sammlung an Kühlschrankmagneten sauber aufgereiht ruhte.
Nein. Heute nicht.
Stattdessen konzentrierte der Magier seinen Blick ganz auf seine Wimpern. Ihm war inzwischen eine andere Idee gekommen, was er tun könnte.
Die Schatten zwischen den winzigen Augenhaaren flackerten hin und her wie eine aschkalte Flamme. Sebulon griff im Geist nach ihnen wie nach einem kunstvoll geschnitzten Türknauf.
Im Bruchteil einer Sekunde veränderte sich die Umgebung um ihn herum.
Viele empfanden das Zwielicht, jene parallele Schicht der Realität, der die Magier auf Erden ihre Kräfte mitverdankten, als kalt un unwirtlich. Sebulon empfand es als äußerst beruhigend.
Er tauchte noch tiefer hinab, in Schichten, die kaum ein anderer Anderer zu durchwandern im Stande war. Hatte sich die Welt in der ersten Schicht im Wesentlichen farblich verändert, war hier, ganz tief im Schatten der Welt, die gesamte Umgebung anders geworden. Ein verschwommener Weg führte von der Stelle, auf der Sebulon stand, durch bräunlich schimmernde Bäume und Sträucher sowie stahlgraue Felsen in den wirrsten Formen in die Unendlichkeit hinein.
Einen tiefen Zug der schweren Zwielichtluft einsaugend begann er seinen Weg.
Hier war niemand.
Und doch fühlte er sich hier am Wohlsten.
Wie Zuhause.
Natur denkt ihr? Klar das Bild spiegelt Bäume irgendwo im nirgendwo wieder aber das ist mit dem Bild nicht gemeint. Was ich in dem Bild sehe? Sehr einfach. Menschen. Menschheit. Uns. Guckt euch das Bild genau an und fragt euch: "was meint er?" Aber es ist so simpel und doch so einfach. Diese Bäume sehen prachtvoll aus, groß, majestätisch. So denken viele über Menschen die sie lieben und das stellt es auch da. Einige sind größer als andere, einige sind schöner als andere, andere haben die bessere Farbe, andere blühen besser. Bäume stellen exakt das wieder was Menschen sind, einsam. Jeder Mensch allein für sich ist auf irgendeiner Weise zufrieden mit sich aber sobald er mit mehreren seiner Art ist fängt er an zu zweifeln. Wir würden das in der Natur Wald nennen. Vielleicht denkt sich der Baum: "Warum bin ich nicht so groß? Warum hab ich keine so schönen Farben? Warum ist mein Stamm nicht so dick oder lang wie seiner?" Wir sind auf uns allein gestellt. Falsch. Wir sind zwar "neidisch" auf das was andere haben aber sobald man wieder alleine ist merkt man erst was man hat oder wie zufrieden man eigentlich mit sich selbst sein kann. Einige Bäume sind kleiner als andere, vielleicht sogar als man selbst und dann denkt man sich: "Was ein Glück ich habe so groß und nicht so klein zu sein." Wir lernen, wir verstehen aber wir wertschätzen uns selbst auch DURCH andere. Bäume sind wie Menschen, allein sehr schön zu betrachten aber im Wald, also Rudel (Menschenmengen) sind wir vergleichbar, angreifbar, unzufrieden. Vielleicht guckt der eine Baum auch zum höheren Baum und denkt sich: "So groß will ich mal werden!" Und dann hat er ein Ziel. Vielleicht wird er nie die Höhe seines Vorbilds erreichen aber vielleicht wird dieser Baum mit dem Traum auch einfach groß in der Blüte, oder seiner Farben, oder seiner Form. Das sind wir. Menschen sind wie Bäume. Die einen groß in Höhe, die anderen groß in anderen Dingen. Aber der Ursprung bleibt gleich, nämlich dass jeder für sich allein zufrieden mit sich sein kann und jeder Baum (als auch Mensch) sich nur von anderen runterziehen lassen kann. Aber wenn ihr auf euch selbst vertraut wird jeder Baum so groß wie er nur sein will.
„Hier“, sagte Steph und reichte Leo die offenbar gut gekühlte Flasche. Er nahm sie entgegen und sah für einen Moment verwirrt aus.
„Sie ist zu“, sagte er.
„Ja, und? Du hast doch immer dein Taschenmesser dabei, oder nicht?“, fragte Steph achselzuckend.
„Schon“, murmelte Leo, während er in seine linke Hosentasche griff, „aber macht der Kerl an der Bar die nicht eigentlich auf?“
„Wenn ich sie gekauft hätte, wäre das wohl so gewesen, ja.“
Leo hatte inzwischen sein Taschenmesser hervorgekramt, den Flaschenöffner ausgeklappt und mit ihm den Kronkorken von der Flasche abbekommen. Er reichte es Steph und fragte: „Also geklaut, hm?“
Das Mädchen lächelte nur, nahm das Taschenmesser entgegen und öffnete seine eigene Flasche.
„Na, dann Prost“, meinte Leo. Sie stießen kurz an und tranken beide einen Schluck. Das Bier war kalt und erfrischend, auch wenn Leo den Geschmack nicht so sehr mochte. Er sah ein wenig verstohlen zu Steph hinüber. Sie war ein hübsches Mädchen – wenn man sie denn nun noch so nennen wollte – mit dunklen Haaren und aufmerksamen Augen, die in einem klaren Blauton strahlten, selbst in dem schummrigen Licht, dass hier draußen noch aus der Aula flutete.
Leo lauschte kurz den von drinnen kommenden Klängen der Musik, zu der gerade getanzt wurde und überlegte, ob er …
„Heeeeee“, sagte eine ziemlich undeutliche Frauenstimme, „wasss macht’n ihr hier drau…“
Ein Hicksen unterbrach jäh den Satz, was den beiden die Zeit gab, sich zu der Hinzugekommenen umzudrehen.
„Hier draußen“, beendete diese ihren Satz.
„Oh, hallo, Frau Berg“, sagten die beiden, etwas peinlich berührt angesichts der offensichtlich ziemlich betrunkenen Lehrerin.
„Ach was“, sagte diese viel zu laut, „ssso müssst ihr mich jetzt auch nicht mehr nennen, ich … Ich …war doch wegen irgendwasss hier rausss… Oh ja, mir war nicht …“
Sie übergab sich in einen neben der Tür stehenden Blumenkübel.
„Ähm …“, machte Leo unsicher.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Steph.
„Jep“, machte Frau Berg und richtete sich auf. „Mmmussste nur … Wwwwissst schon. Aber keine Sssorge, ich geh einfach wieder …“
Sie schwankte durch die Tür wieder in die Aula.
„Meinst du nicht, wir sollten …“, begann Steph.
„Wär wohl besser“, sagte Leo und nachdem beide hastig ihre Flaschen auf den Boden gestellt hatten, hechteten sie hinter der Lehrerin her, um sie aufzuhalten. Sie kamen gerade noch rechtzeitig, um sie vor dem Hinfallen zu bewahren, nachdem sie plötzlich das Gleichgewicht verloren zu haben schien.
„Danke“, murmelte die Lehrerin, offenbar ohne recht zu wissen, was gerade vor sich ging.
„Wir bringen sie besser ins Lehrerzimmer“, flüsterte Steph Leo zu. „Da steht doch ein Sofa, wenn ich mich nicht irre.“
„Ist das nicht abgeschlossen?“
„Ja“, sagte Steph und griff der Lehrerin, die nicht protestierte, in die Tasche ihres Hosenanzugs, „aber …“
Bevor sie weitersprechen konnte, kam jedoch auch schon Frau Naumann angelaufen.
„Du liebe Güte“, sagte sie mit ihrer schrillen Stimme, „was ist denn nur mit Frau Berg passiert? Etwa zu viel getrunken? Also, das hätte ich ja nicht von ihr erwartet, sie ist doch immer so verantwortungsvoll. Wobei, andererseits war sie … Naja, das geht euch nichts an. Ungeachtet dessen ist das aber immer noch heute zwar ein besonderer Anlass, immerhin eure Abschlussfeier, doch trotzdem, man kann doch nicht … Fast schon empörend, muss man sagen, wenn ich nicht …“
„Vielleicht ist sie ja gar nicht schuld“, unterbrach Leo den Redeschwall.
„Inwiefern?“, fragte Frau Naumann spitz und schürzte die Lippen.
„Nun, nicht dass ich über meine Mitschüler herziehen möchte …“
„Ehemalige Mitschüler“, korrigierte Frau Naumann ihn.
„Ja, wie auch immer“, sagte Leo genervt, „jedenfalls ist es denkbar, dass die ihr ein bisschen was Stärkeres in ihr Getränk gemischt haben oder so. Sie kennen doch Nick zum Beispiel.“
Leo fragte sich immer noch, wie dieser Vollidiot es jemals bis zum Abitur hatte schaffen können. Eigentlich hätte er auf dem Weg dahin fünfmal sitzenbleiben und dreimal der Schule verwiesen werden können, wenn man Leo fragte.
„In der Tat“, meinte Frau Naumann nachdenklich. „Das sähe ihm ähnlich. Gut, wie dem auch sei. Ich denke, wir sollten …“
Sie brach ab und schien ein wenig zerstreut zu sein.
„Ich dachte, man könnte sie ins Lehrerzimmer bringen“, sagte Steph.
„Ach ja!“, sagte Frau Berg. „Gut, wenn ihr mir vielleicht helfen wollt, sie dorthin zu bringen …“
„In Ordnung“, sagte Leo und so halfen er und Steph dabei, Frau Berg möglichst unauffällig durch die Aula zu busgieren, in der ihre Mitabsolventen allerdings gerade ohnehin so ausgelassen tanzten, dass sie in der dämmerigen Beleuchtung sonst nicht viel mitbekamen.
Am Lehrerzimmer angekommen schloss Frau Naumann die Tür auf und knipste das Licht an.
„Hier links“, sagte sie.
Steph und Leo hievten Frau Berg, deren Füße mittlerweile eher über den Teppichboden schleiften, auf das Sofa.
„Gut, danke. Ihr könnt dann jetzt gehen.“
„Jemand sollte bei ihr …“, begann Steph, doch wurde sie schnell wieder unterbrochen.
„Das mache ich schon alleine. Ihr könnt wieder feiern gehen, hier solltet ihr jedenfalls eigentlich gar nicht sein dürfen.“
Steph und Leo hatten Mühe, keine genervten Blicke auszutauschen und so nickten sie nur und entfernten sich über den Gang.
„Alte Schreckschraube“, meinte Leo, als sie weit genug entfernt waren.
„Ja, allerdings“, erwiderte Steph mit einem sonderbaren Unterton.
„Warum bist du so gut gelaunt?“, fragte Leo misstrauisch.
Steph hielt triumphierend und mit einigem Geklimper einen kleinen Schlüsselbund in die Höhe.
„Oh nein“, sagte Leo und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
„Naja, sie hat nichts gemerkt“, sagte Steph. „Und wann bekommt man schon einmal den Schlüssel zu allen Klassenräumen in die Finger?“
„Und was, wenn sie merkt, dass die Schlüssel weg sind?“, zischte Leo.
„Ach, die schläft doch erst mal ihren Rausch aus, die Arme. Ich lege den dann später einfach in den Gang zum Lehrerzimmer, irgendwer wird den schon bald finden und dann wird man glauben, dass er ihr einfach aus der Tasche gerutscht sei, als wir sie hineingetragen haben. So einfach ist das.“
Leo seufzte.
„Ich will einfach nicht, dass sie noch Ärger bekommt“, sagte er. „Ich meine, wenn die Geschichte die Runde macht, dass sie so komplett betrunken war und dann noch dazukommt, dass ihre Schlüssel weg sind …“
„Das wird schon nicht passieren. Ich möchte nur noch einmal … kurz in Einnerungen schwelgen, so direkt vor Ort. Verstehst du?“
„Ehrlich gesagt …“
„Komm schon, sei kein Frosch, Leopard!“
Leo seufzte erneut und sah sich um, als hoffte er, jemand würde ihm zu Hilfe kommen, was natürlich nicht passierte.
„Okay“, schloss Leo. „Wenn du mich nie wieder ‚Leopard‘ nennst.“
„Nicht? Das war doch in der fünften und sechsten Klasse dein Spitzname“, sagte Steph unschuldig.
„Ja“, erwiderte Leo, „und du weißt genau, dass ich ihn gehasst habe.“
Eine kurze Zeit später standen sie vor der leicht ramponierten Tür ihres früheren Klassenraums. Steph musste zunächst ein wenig herumprobieren, bevor sie den richtigen Schlüssel gefunden hatte. Schließlich aber schwang die Tür auf und der typische muffige Geruch eines Raums, der lange nicht mehr geöffnet worden war, strömte ihnen entgegen.
Fahles Mondlicht fiel durch die Fenster und ermöglichte es, den Raum recht gut zu erkennen. Als Steph trotzdem das Licht einschalten wollte, hielt Leo sie auf.
„Das kann man von draußen sehen“, sagte er.
„Oh, ja, richtig“, erwiderte Steph.
Sie waren schon länger nicht mehr hier drin gewesen – nachdem die einzelnen Klassen nach der neunten aufgelöst worden waren und es nur noch Kurse gab, hatten sie natürlich keinen festen Klassenraum mehr gehabt. An den Wänden hingen jetzt Plakate, die irgendwelche jüngeren Schüler für Referate gemacht hatten.
„Hm, die Kanzler der Bundesrepublik“, murmelte Leo. „Die sind ja jetzt auch fast alle schon tot.“
„Ja, es leben nur noch Schröder und eben Merkel“, sagte Steph und setzte sich an einen Tisch.
„Hier haben wir immer gesessen“, sagte sie lächelnd.
„Stimmt“, sagte Leo und setzte sich neben sie.
„Weißt du noch, wie du damals in der Mathearbeit absolut keinen Plan hattest?“
„Schmerzlich. Das heißt, welche genau meinst du?“
„Die bei der ich dann so genervt wurde, weil du mich ständig im Flüsterton irgendwas gefragt hast“, sagte Steph lachend.
„Ach, die … Ja, natürlich. Du hast mir irgendwann das Heft weggenommen und die Lösung von einer Aufgabe einfach reingeschrieben.“
„Es wundert mich immer noch, dass dann deine Handschrift dabei nicht aufgefallen ist.“
„Nun, unser Lehrer damals war halt noch recht unerfahren.“
„Ja …“, murmelte Steph.
Zum zweiten Mal an diesem Abend betrachtete Leo Steph ganz genau. Sie war natürlich für den Abend zurechtgemacht, aber bei weitem nicht so aufwendig wie die anderen. Und trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – sah sie in ihrem dunkelblauen Kleid einfach umwerfend aus. Leo dachte daran, wie er selbst in der Hinsicht dastand – er trug pflichtgemäß einen Anzug, aber er hatte sich sonst eigentlich nur mal schnell die Haare gekämmt und mittlerweile waren sie bestimmt wieder zerzaust wie sonst auch immer.
„Leo?“, fragte Steph. „Ist irgendwas? Du guckst so komisch.“
„Nein … Das heißt …“
Er holte tief Luft.
„Ich mag dich“, platzte er heraus. „Also, mehr als …“
Steph fing an zu lachen.
„Hey, das ist mir ernst“, sagte Leo beleidigt und mit hochrotem Kopf.
Steph hörte auf, lächelte aber noch.
„Mir auch“, sagte sie leise, während sie sich langsam näherkamen.
„Sehr ernst.“