Titel: Bambi - Eine Lebensgeschichte aus dem Walde
Autor: Felix Salten
Verlag: marixverlag
Erscheinungsjahr der Ausgabe: 2016
Erstveröffentlichung: 1923
"Er kam mitten im Dickicht zur Welt, in einer jener kleinen, verborgenen Stuben des Waldes, die scheinbar nach allen Seiten offen stehen, aber doch von allen Seiten umschirmt sind."
Inhalt:
Das Buch folgt der Lebensgeschichte des jungen Rehs Bambi, das seinen Weg im Wald finden muss. Es findet Freunde unter den anderen Tieren und hat viel Spaß mit den anderen Rehkitzen, doch immer wieder schwebt die Bedrohung durch den Menschen über Bambis Glück. Es ist eine Geschichte über das Erwachsenwerden, darüber wie sich Beziehungen verändern und auseinandergehen, während Bambi seinen Weg findet.
"Plötzlich fuhren alle Rehe zusammen, gleichzeitig. Es hatte sie wie ein Schlag durchzuckt. Nun standen sie still und zogen die Luft ein. Das war Er."
Meinung:
Von allen Disney-Filmen mit literarischer Vorlage ist dieses wohl eine der unbekanntesten. Ich zumindest hatte als Kind nicht gewusst, dass es ein Buch zu Bambis Geschichte gab, auch wenn ich schon längst von Peter Pan oder Mary Poppins gehört hatte. Daher war es am Ende ein großer Teil Neugierde, die mich dieses Buch hat lesen lassen.
Es ist sehr kurz, 188 Seiten, und man findet immer wieder die Parallelen zum bekannten Zeichentrickfilm. Wo Walt Disney aber mehr auf die Liebe gesetzt hat, hat Felix Salten sich eher auf die bitterere Realität eingelassen. Das Leben im Wald ist nicht friedlich und voller Liebe, es schwebt immer die Gefahr über ihnen. Allen voran durch den Menschen (im Buch durchgängig als "Er" bezeichnet), aber auch durch andere Tiere. Und zum Teil auch durch das Erwachsenwerden, wie mir scheint.
Das Buch ist nun beinahe hundert Jahre alt und das zeigt sich in der Art, wie es geschrieben wurde. Da es aber ein Kinderbuch ist, ist es dennoch sehr leicht zu lesen - es sind mehr die Themen als die Schreibweise, die manchmal etwas schwieriger sind. Das Buch ist nicht brutal oder so etwas, eher schon fast etwas nüchtern, was seine Todesszenen betrifft. Man hält sich nicht zu lange damit auf, sondern geht zum nächsten Punkt über, die Reaktionen darauf werden eher unterschwellig vermittelt als direkt angesprochen. Deshalb wollte ich gerne diese Präsentation schreiben, um meine eigenen Gedanken dazu auch ein bisschen zu entwirren.
Mir hat das Buch durchaus gefallen. Es setzt andere Schwerpunkte als die Geschichte, die ich bereits kannte, und ließ mich dadurch etwas melancholischer zurück. Trennung ist immer wieder etwas, was für mich schwieriger ist, aber das ist ein großes Thema im Laufe des Buches und beginnt schon als Bambis Mutter immer wieder ohne ihn unterwegs ist und Bambi sie vermisst. Was ich etwas schade finde, ist, dass wir nie ganz erfahren, was sie tut. Dadurch, dass es aus der Sicht eines Rehbocks geschrieben ist, erfahren wir später wie es ist, dass die Väter so unabhängig von Müttern und Kindern leben, aber es geht ein Teil der weiblichen Sicht verloren. Und grundsätzlich gibt es nicht immer Begründungen, aber so ist das Leben im Wald nun einmal, nehme ich an. Es fühlt sich nur manchmal etwas unvollständig an, weil andere Teile begründet werden. Auf jeden Fall nimmt dieses Buch einmal das Denken nicht ab.
Nicht immer mochte ich Bambi als Charakter und aus der Sicht eines modernen Lesers hätte ich vermutlich an der ein oder anderen Stelle die Dinge etwas anders gemacht oder geschrieben, aber genau das ist ja auch immer wieder das Faszinierende daran, Klassiker zu lesen - dass man eben eine andere Sicht auf die Dinge präsentiert bekommt. Ich denke, ich bevorzuge den liebevolleren Ansatz von Disney ein klein wenig, aber die literarische Vorlage kann sich durchaus sehen lassen; zum einen, da sie interessante andere Aspekte aufzeigt, zum anderen auch, weil meine Ausgabe ebenfalls mit sehr hübschen Zeichnungen ausgestattet ist.
"Bambi war allein. Er ging an das Wasser, das still zwischen Schilf und Ufer hinfloss. [...] Was in ihm vorging, wusste er nicht, dachte gar nicht darüber nach. Er grübelte nur planlos verworren vor sich hin, und ihm war, als sei das ganze Leben dunkler geworden."
*Zitate aus dem Buch, S.5, S. 89 & S. 153