Herzlich willkommen im Votetopic zum 1. Wettbewerb in der Saison '11.
([Information] Wettbewerb Nr. 2: Überschriften)
Mit dem neuen Jahr kamen auch einige Veränderungen. Besonders das Votesystem hat sich gewandelt. So ist es nun nicht mehr möglich nur einen Punkt an einen Text zu vergeben, sondern beliebig viele. Nähere Informationen findet ihr in folgendem Topic:
Regeln, Information und Punkteliste der Saison '11
Wir bitten euch besonders den Punkt "Die Votes" durchzulesen.
Bitte verteilt den Großteil eurer Punkte nicht nur auf einen Text, sondern teilt sie mindestens zwischen drei Texten auf!
Außerdem schreibt zu jedem Vote eine Begründung! 1-2 Sätze genügen!
Votes, die nicht alle verfügbaren Punkte ausnutzen werden als ungültig erklärt
Die Deadline des Votes ist am 12.02.11 um 23:59 Uhr.
Da wir 23 Abgaben erhalten haben, habt ihr die Möglichkeit 14 Punkte zu verteilen!
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„Dieser Tag wird in die Geschichte eingehen. Im Jahre 2496, zwei Jahrhunderte nach dem apokalyptischen Ende der Fabriken, der Kriege, dem Großteil der Menschheit, ist es nun geschehen. Der ’letzte Tag der Sonne’ ist eingetroffen. Im wissenschaftlichen Sinne ist es nicht der letzte Tag der Sonne, es ist nur der letzte Tag, an dem der klägliche Rest, der von uns noch übrig geblieben ist, den Stern ‚Sonne’ sehen kann. Die zahlreichen Abgase haben unsere Ozonschicht schon vor Jahrhunderten so zerstört, dass wir kurzerhand eine neue, künstliche erschaffen mussten. Dies geschah im Jahre 2258. Etwas später erschufen wir uns eine eigene Sonne, die so eingestellt wurden, dass sie perfekt die Jahreszeiten nachahmt...nachahmt… nachahmt…“
Metallisches Klirren erfüllte die Luft, Zischen und Fauchen schallte in dem heruntergekommenen Labor wieder. Auf dem Tisch stand ein kleines Gerät, flach wie ein Teller, mit einem kleinen, blauen Sensor, der nur einen Meter weiter entfernt in einer Person endete. Ein junger Mann in einem weißen Kittel und mit drei Tage Bart, angespannt bis auf den letzten Muskel, las von einer weiteren Tafel ab, von der er scheinbar seine Informationen erhielt. Er wiederholte immer dasselbe Wort, verschwamm nach einer Weile jedoch. Ein Klicklaut ertönte, dann hatte der Akku des Hologrammprojektors seinen Geist aufgegeben. Eine Faust prallte auf den Tisch, dutzende elektronische Geräte fanden durch die Erdanziehung zum Boden, wo sie klirrend liegen blieben. Der Mann hatte seiner Wut freien Lauf gelassen. Er war es gewesen, der die Aufzeichnung für die Nachwelt hatte machen wollen. Vielleicht würden die restlichen Lebewesen sich ja evolutionieren und sich den aktuellen Lebensbedingungen anpassen. Vielleicht gäbe es ja eine zweite Menschheit, wenn die erste erst einmal ausgestorben war. Der junge Mann war ein hoch anerkannter Professor und einer der letzten fünf Tausend Menschen. Der Rest war qualvoll an den Auswirkungen der letzten Atomrakete gestorben, die das ehemalige Amerika auf Japan hatte losgelassen. Nur war die Intensität der Raketen um ein Vielfaches erhöht worden, als man es sich vorgestellt hatte. Lediglich ein kleiner Fleck auf der Erde hatte den Angriff unbeschadet überlebt, doch auch diese Zone würde schon bald menschenleer sein, da sie ihn ja nicht verlassen konnten. Der Ort war nur eine kleine Stadt, da gab es diese speziellen Anzüge nicht, die einen vor radioaktiver Strahlung schützte. Also waren sie verdammt, auf ihr Ende zu warten.
„ Was machst du hier, Frederic?“ Der Angesprochene drehte sich mit wütender Miene um und entdeckte seine Frau.
„ Arbeiten, Louise. Arbeiten.“ -„ Für wen?“ -„ Für die zweite Menschheit!“
Eine Weile lang herrschte Schweigen, dann setzte sich Louise in Bewegung. Sie umarmte ihren Mann fest, bittere Tränen rollten ihre Wange herunter. „ Wir haben keine Vorräte mehr. Die Strahlung ist immer noch nicht verschwunden, Frederic. Wir sind verloren und du träumst immer noch von einer zweiten Menschheit.“ Frederic seufzte. Sie hatte ja Recht. Die wenigen Tiere, die ihren Weg hierher gefunden hatten und verschont geblieben waren sollten eine neue Rasse erschaffen? Das war biologisch unmöglich, und doch war es etwas, was sich der junge Mann von Herzen wünschte. Und falls es passieren würde, würde er sie vorwarnen, ihnen den aktuellen Stand des menschlichen Wissens vermitteln und sie davor warnen, was passieren könnte. Ja, und dann würde wenigstens diese Rasse überleben. Überleben und erfolgreicher werden als es für die Menschheit je möglich war.
„ Komm mit, der letzte Sonnenuntergang ist gleich. Das wollen wir doch nicht verpassen, oder?“ Louises versöhnliche Stimme rief ihn aus seinen Gedanken zurück, er nickte leicht und ließ sich von seiner Frau zu dem Hügel führen, an dem sich ein Jeder von ihnen versammelt hatte. Sie entdeckten Freunde der Familie, machten sich auf den Weg zu ihnen. Die Frau sah bekümmert aus, das junge Mädchen hatte rot verquollene Augen. Sie stellten sich nebeneinander, es brauchte keine Blicke, keine Begrüßung.
„ Jerry ist tot. Die Strahlung.“
Die Worte waren langsam und schleppend, erschöpft und tief traurig.
„ Das tut mir Leid, Mary.“
Frederic hatte geantwortet, Louise fand nie Worte für Todesfälle. Die Braunhaarige war zu sentimental, um einen vernünftigen Satz zu formulieren, der ihre tatsächlichen Gefühle vermitteln konnte. Stattdessen nickte sie immer nur. Mary hatte ihre Tochter von hinten in die Arme geschlossen, das heutige Ereignis war zu wichtig, um es zu verpassen.
Bürgermeister Foahn trat aus der Menge heraus. Er stellte sich mit dem Rücken zum Licht, auf einen Hügel in der Nähe des Abgrundes, räusperte sich und verlangte somit alle Aufmerksamkeit.
„ Wir beklagen heute den Tod der folgenden Personen: Jerry Southern, geliebter Vater und Chemiker, Zaid, Biologe und Witwer, das Neugeborene des Ehepaares Brucewick und zuletzt auch Christina Herriette. Sie alle hatten diesen frühen Tod nicht verdient. Lasst uns für sie beten, dass sie den Weg ins Paradies finden mögen und nicht für die Taten ihrer Vorfahren bestraft werden.“ Zustimmendes Gemurmel fuhr durch die Menge, Victoria, die Tochter Jerrys, war auf die Knie gesunken und hatte die Arme um ihren dünnen Körper geschlungen. Sie wurde von heftigen Krämpfen durchgeschüttelt, das leise Wimmern schien niemanden zu stören. Ihre Mutter versuchte, sie mit leisen Lauten und Gesang zu beruhigen.
Foahn war wieder in die Menge zurück getreten und unterhielt sich gedämpft mit einigen weiteren Personen. Also waren es nur noch 4956 Personen, die verblieben.
Frederic und Louise waren ein kinderloses Paar, sie wollten erst in den dreißiger Jahren Kinder bekommen. Doch nun war es zu spät. Ohne die Wirkung der Sonne würde die Welt von einer zweiten Eiszeit heimgesucht werden. Die künstlich erschaffene Sonne war bei dem Atomaustausch zerstört worden, das Ende war also heute gekommen. Wer nicht vorher Suizid begang, würde in der Nacht erfrieren.
Das war jedem hier klar. Lediglich die Kinder unter ihnen liefen immer noch dem Glauben hinterher, es würde ein „Morgen“ für sie geben. Das tat es nicht. Man wollte ihnen nicht den kläglichen Rest ihres Lebens verderben. Sie sollten unschuldig spielen, tollen, so, wie man es vor fünf Jahrhunderten gemacht hatte. So sollte ihr Leben aussehen.
In Frederic wuchs eine ungemeine Wut auf seine Vorfahren, auf die Führer der Nationen, die für diese Misere verantwortlich waren. Sie hatten alles zerstört, ihre Schuld war es, dass ihr Leben heute endete.
Louise stellte sich vor ihn. Sie war einen Kopf kleiner, schlang die Arme ihres Ehemanns um sich und suchte Schutz bei ihm. Ein Jeder tat dies jetzt. Die Sonne hatte begonnen, im Weltall zu verschwinden, sie war nicht mehr als ein kleiner Punkt. Gerade genug um die Durchschnittstemperatur von minus fünfzig Grad aufrecht zu erhalten. Um sie herum war alles abgestorben. Keine Pflanzen, die Tiere hatten sich in unterirdischen Kanälen ihren Weg zum warmen Erdkern gesucht, die heruntergekommenen Buden machten den Eindruck, als würde nur das Eis sie zusammen halten.
Der kleine, gelbe Punkt wanderte weiter zum Horizont. Langsam näherte er sich der Linie ein letztes Mal. Louise rollten Tränen über die Wange, viele Menschen in der Menge begannen zu schluchzen. Andere zählten von einhundert herunter, einige blieben stumm und starrten ihn einfach nur an. Alle hatten jedoch etwas gemeinsam. Sie nahmen sich ihre Jacken und zogen sie enger um ihre Körper, um zumindest eine kurze Zeit der tödlichen Kälte zu entgehen. Das Schnaufen und Schluchzen wurde lauter, je näher die Sonne dem Abgrund kam, und erreichte seinen Höhepunkt, als er von der Klippe zwei geteilt wurde. Der obere Teil war noch sichtbar, der untere bereits zum letzten Mal verschwunden.
„ Dies ist der letzte Tag der Sonne. Lasst ihr uns danken, dafür, dass sie ganze 2496 Jahre auf uns aufgepasst hat. Lasst uns das Lied der Sonne singen!“, rief Foahn laut. Er zählte bis drei, dann stimmten alle, ob Kinder, Eltern, Greise, in ein Lied der Trauer und Fröhlichkeit zugleich ein. Mit dem letzten Takt, den Worten, „ And now the sun is gone.“, endete es. Das Lied und das Leben der 4956 restlichen Personen, denn die Sonne war zum letzten Mal verschwunden.
...Nichts, aber auch gar nichts rührte sich. Die sanfte Brise wehte zwischen mein Fell und auch in dieses meiner Kompanen Pikachu und Flemmli, die neben mir, auf dem dreckigen Boden lagen. Ich wagte zu blinzeln und sah sechs Zobiris, die mich mit ihren hell funkelnden Augen anstarrten und hinter ihnen der Zeitstrudel - in das ich das von Dunkelheit umhüllte Zwirrfinst nur reinzerren musste, um die Welt zu verbessern. Aber ich muss mich selbst dafür opfern, um meinen Freunden Pikachu und Flemmli ein besseres Leben zu schenken. Wir dachten, wir hätten Zwirrfinst schon längst niederschlagen, aber darin hatten wir uns wohl getäuscht. Das dunkle Geschöpf erhob sich langsam vom Boden und schrie in einem lauten Ton: „Ich.. Ich akzeptiere es nicht von euch besiegt zu werden!“ Und dann ging alles ganz schnell. Zwirrfinst, das von der dunklen Macht, dessen Ursprungsquelle noch nicht bekannt war, kontrolliert wird, schlug uns alle drei nieder. Als wir wieder langsam regten, sagte das machtgierige Zwirrfinst: „Ihr wagt es, mich herauszufordern? Ihr seid erbarmlich!“ Reptain unterbrach Zwirffinst und widersprach ihm: „Hör mir zu, es ist für eine bessere Welt, wir müssen uns verbünden und die dunkle Macht beseitigen. Es ist sinnlos, wir müssen verschwinden! Sonst wird die ganze Welt zerstört, die dunkle Macht nimmt immer mehr zu. Wir müssen sie stoppen!“ Zwirffinst lachte hämisch. Es sagte nicht, man sah ihm seine Schmerzen an. Die dunkle Hülle, von der Zwirrfinst umgeben war, wurde immer größer. Damit wuchs auch Zwirffinsts Macht, entweder jetzt oder nie dachte sich Reptain: „Zwirffinst.. Du willst und kannst es nicht anderst. Ich nehme dich jetzt mit in die Vergangenheit, das ist der letzte Tag der Sonne für uns beide. Genieße ihn, denn unsere Zeit ist abgelaufen. Pikachu und Flemmli. Nun liegt alles in eurer Hand, stoppt die dunkle Macht die auf euch im Zeitturm wartet. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich von euch verabschieden muss. Ihr seid ein perfektes Team, ich werde euch nie vergessen.“ Pikachu und Flemmli rührten sich nicht. Aber sie konnten sehen, wie Reptain der Abschied schwerfiel. Es wisch sich die Tränen, die auf Grund der Sonnenstrahlen hell funkelten, vom Gesicht ab. Mit einem Ruck packte er sich Zwirrfinst, Reptain erlitt große Schmerzen wegen der dunklen Hülle, von der es umgeben war. Verzweifelt und weinend rief Flemmli Reptain hinterher: „Reptain, geh bitte nicht! Wir können zusammen gegen Zwirrfinst kämpfen!“ Doch Reptain lehnte eiskalt aber zugleich schmerzlich ab: „Die dunkle Macht hat Zwirrfinst voll unter Kontrolle, es hat keinen Zweck. Zwirrfinst ist zu stark, wir müssen aus dieser Welt verschwinden. Lebt wohl, Pikachu und Flemmli...“ Auch die sechs Zobiris folgten ihrem zeitweiligen Diener Zwirrfinst und verschwanden somit mit dem tapferen Reptain aus der Welt. Genau in diesem Augenblick wechselte es von Tag zu Nacht, Pikachu vergaß die letzten Worte von Reptain nicht, diese lauteten: „Ich nehme dich jetzt mit in die Vergangenheit, das ist der letzte Tag der Sonne für uns beide.“ Diesen weisen Satz konnten sie einfach nicht vergessen. Nun fehlten Pikachu und Flemmli die Motivation, sie waren am Boden zerstört und konnten sich nicht fortbewegen. Nicht, weil Reptain gerade verschwunden war, nein. Ihr Körper fühlte sich aufeinmal so schwer an. Dann kam ein erschütterndes Erdbeben, das alles um die beiden Helden herum zum Einsturz brachte. Nach einem kurzen Augenblick, das sich für die Beiden wie eine ganze Ewigkeit anfühlte, hörte man den Schrei eines wütenden und angsteinflößenden Pokémon. Und schon kam ein großes Pokémon zum Vorschein, das so aussah, als sei es die Ursache der Zerstörungen - nicht nur dafür, es war auchnoch verantwortlich für das Verschwinden von Reptain und Zwirrfinst. Pikachu brüllte es wütend an: „D-Du Miststück! Wie kannst du dir soetwas erlauben, und einfach unsere beiden Freunde aus der Welt zerren? Warum tust du uns und insbesondere Reptain soetwas an? Warum müssen sie solche Schmerzen ertragen? Du bist ein erbärmliches Pokémon!“ An dieser Stelle hätte sich Pikachu lieber zügeln sollen, denn durch diese Worte wurde die dunkle Macht des Pokémon nur vergrößert. Auch Flemmli sah das so: „Pikachu.. Es bringt nichts, du machst das Dialga nur noch wütender!“ Pikachu erlitt einen kleinen Schock. Ein Weilchen rührte sich nicht, bis das Dialga zu sprechen begann: „Ich wurde betrogen! Die Menschen haben mir ein Reich voller Macht versprochen, wenn ich ihren Wunsch erfülle - nämlich den Wunsch, das lang gesuchte und gejagte Reptain aus dieser Welt verschwinden zu lassen. Und was bekam ich als Dank? Nichts! Ein leeres Versprechen und ihr seid alleine Schuld daran!“
„W-Warum sind wir denn Schuld daran, Dialga?!“, fragte Flemmli wütend. Dialga antwortete darauf eiskalt und ohne jede Rücksicht: „Warum habt ihr nicht verhindert, dass Zwirrfinst und Reptain nicht aus der Welt ausgelöscht werden, und ihre Existenz vernichtet wird? Spürt meinen Zorn, Pokémon!“ Nun war mein Zeitpunkt gekommen, das geht alles deutlich zu weit. Ein weißes, augenbetäubendes Licht kam zum Vorschein und die drei wurden geblendet. Und dann war mein Zeitpunkt gekommen, die Sache in meine Hände zu legen. „W-Wer bist du? Zwei große Monster gegen zwei kleine Pokémon ist unfair!“, beklagte sich Flemmli und versteckte sich hinter einem Felsen. Aber ich klärte es schlussendlich dann auf: „Keine Angst, ich bin Arceus und stehe auf keiner Seite. Ich bin erschienen, um die Sache aufzuklären, denn ihr wisst die wahre Geschichte von Reptain nicht...“ Nun begann Arceus die wahre Geschichte zu enthüllen: „Reptain klaute einst in der Welt der Pokémon Zahnräder, diese Zahnräder hielten den Fluss der Zeit und des Raumes aufrecht. Doch durch das Stehlen der Zahnräder geriet dieser Fluss durcheinander, und Reptain wurde gesucht. Dialga, das Pokémon das die Zeit beherrscht, das zudem von Palkia, das Pokémon das den Raum beherrscht, unterstützt wurde, bekam den Auftrag von den Menschen, Reptain in eine Falle zu locken, um es aus der Welt verschwinden zu lassen. Jedoch hielten die Menschen ihr Versprechen nicht, deshalb ist Dialga außer sich vor Wut. Palkia kann es nicht mehr sein, denn es wurde von den Menschen in einen Zeitstrudel geworfen, jetzt ist es auch verschwunden, genauso wie eure beiden Freunde. Nun zu dir, Dialga. Ich kann es verstehen, dass du wütend auf die Menschen bist, aber dass du hier alles und jeden vernichtest ist auch keine Lösung.. Ich habe mich im Übrigen noch garnicht vorgestellt. Ich bin Arceus, der Gott unter den vielen Pokémon. Die Menschen werden ihre gerechte Strafe noch bekommen, meine Freunde. Ich danke euch, für euren Mut und eure Unterstützung. Ich verabschiede mich nun von euch. Nehmt das hier als Dankeschön!“ Wieder erschien dieses helle Licht, und dann war Arceus weg. Doch anstelle von Arceus lagen nun Reptain und Zwirrfinst, dessen schwarze Hülle verschwunden war, auf dem Boden. Und nicht zu vergessen: Palkia und die sechs Zobiris. „R-Reptain.. Und auch Zwirrfinst.. Und all die anderen.. Das war das Geschenk von Arceus, wir danken dir vom ganzen Herzen!“, rief Pikachu hoch hinaus in den Himmel. Palkia kehrte in sein Territorium zurück, genauso wie Dialga. Und die sechs Zobiris und ihr Anführer Zwirrfinst schlossen sich zu einem Team zusammen, das die ganzen betroffenen Pokémon auf ihren weiteren Wegen begleitet und sie unterstützt. Reptain, Pikachu und natürlich Flemmli gingen wieder ihrer alltäglichen Jobs nach, nämlich Pokémon in Not helfen.
Traurig blickte Ra über die smaragdgrüne Oase, die am glitzernden Flusslauf entstanden war. Die Sonne stand hoch am Himmel und strahlte in ihrer sengenden Hitze auf seinen gefiederten Kopf hinab. Wie können sie mir das nur antun, nach allem, was ich für sie getan habe?, dachte er.
Plötzlich landete ein Falke neben ihm, geschmückt mit Gold und Edelsteinen.
„Was ist los, Ra?“
Er schreckte aus seinen Gedanken auf und schaute zum kleinen Falken hinab. „Sie vergessen mich, Horus“, flüsterte er.
„Ja“, antwortete Horus, „Ja, sie vergessen dich. Aber an uns andere Götter denkt auch niemand mehr.“
„Hmm...“ Ra blickte zu der Sonne auf, ihre Strahlen funkelten golden in seinen Adleraugen. Dann sah er an sich hinab, auf die Brust, wo die Greifvogelfedern in den muskulösen Männerkörper übergingen. „Aber sie brauchen uns... Ich bin ihr Sonnengott, ohne mich würde ewige Finsternis im Nilland herrschen!“
Der Falke blickte ihn mit dunklen Augen an, dann wechselte er die Gestalt und wurde zu einem Falkenköpfigen Mann. Stumm stellte er sich auf die Klippe neben den Sonnengott und blickte über die Ebene, wo die Ägypter vor der Mittagshitze in ihre Häuser geflohen waren, ohne auch nur einen Gedanken an ihre alten Götter zu verschwenden. Niemand wusste mehr, wen die Statuen in den halb zerstörten Tempeln darstellten. Viele beteten schon längst einen einzigen Gott an. Lächerlich, denn wo war er, dieser Gott?
„Glaubst du, ich werde sterben, wenn sie mich vollständig vergessen haben?“, murmelte Ra.
„Nein“, meinte Horus. „Dann wärest du schon längst tot...“
Von einer plötzlichen, verzweifelten Wut gepackt, stieß der Sonnengott einen gellenden Adlerschrei aus. „Dann sollen sie sich jetzt wieder erinnern!“ Zornig streckte er einen Arm aus, brüllte in den Himmel: „Heute wird der letzte Tag der Sonne sein!“ Mit kräftigen Handbewegungen zog er den Mond, der wie ein schwacher weißer Teller am Himmel hing, vor die Sonne. Langsam, ganz langsam wurde es dunkler. Doch mit jedem Zentimeter, den die Sonne verdeckt wurde, schwand seine Macht. Die helle Kugel war die Quelle seiner Stärke, aber das war ihm jetzt egal. Die Menschen sollten büßen, dass sie ihn vergessen hatten! Aber der Mond schien sich regelrecht zu wehren, bäumte sich in seinem Griff auf. Ra, auf dem Tiefpunkt seiner Macht, konnte ihn nicht länger halten. Seufzend zog der helle Teller an der Sonne vorbei, und das Licht kehrte zögernd zurück, gemeinsam mit der Macht des Sonnengottes. Ein Augenblick zorniger Stille.
Dann senkte Ra den Arm, erschöpft, aber dennoch mit neuer Kraft erfüllt. Als er schweigend fortging, blitzte eine solch aggressive Wut in seinen Augen, dass jedem, der ihn gesehen hätte, ein eisiger Schauer über den Rücken gelaufen wäre.
Horus blickte ihm nach.
Die Menschheit hatte den Zorn der Götter auf sich gezogen, könnte man jetzt denken, bald würde die Welt untergehen, mag man nun fürchten. Aber dem war nicht so. Es war ein ganz normaler Tag für die Götter, Ra hatte oft solche Wutanfälle.
Horus lächelte in sich hinein. Wie merkwürdig das wohl auf seinem Falkengesicht anmutete?
Ra hatte immer noch nicht gemerkt, dass der Falkenköpfige es war, der am Mond zerrte, der ihn so widerspenstig gegenüber dem Sonnengott machte. Aber es war besser so, irgendwann würden sich die Leute schon wieder an die Götter erinnern... Irgendwann...
Aber noch machte sich niemand Gedanken um sie. Die Menschen begannen, wissenschaftliche Begründungen für solch eine Sonnenfinsternis zu finden.
Horus wandte sich wieder dem Fluss Nil zu und erwartete gelangweilt die nächste Handlung des Sonnengottes...
„Leben und Tod. Schwarz und Weiss. Liebe und Hass. Es gibt immer zwei Seiten, mein Sohn… Merke dir das gut! Es ist immer lohnend, beide Seiten einer Sache zu kennen. Kennst du nur eine, dann ziehe los, und suche die andere Seite“ Diese Worte kamen Fàramir wieder in den Sinn, als er nach einer gewonnenen Schlacht über dem letzten Überlebenden stand und auf ihn hinunter blickte. Sein Vater hatte sie ihm gesagt, kurz bevor er von den Schergen des Herrschers entführt wurde und zum Krieger ausgebildet wurde. Seinen Vater hatte er seither nie mehr gesehen.
Vom Zeitpunkt seiner Entführung an bestand sein Leben aus Schlafen, Essen und Kämpfen. Zusammen mit anderen Knaben wurde er zum Mitglied der Elite-Einheit „Ràk Ra Stèr“ ausgebildet, was so viel wie „Die Rache des Unsterblichen“ bedeutete. Der Unsterbliche war der Herrscher seines Königreiches. Er war ein guter, gerechter Herrscher, doch Verrat, Mord und Diebstahl standen unter Todesstrafe. Er war sehr machthungrig und stand deshalb ständig im Krieg mit anderen Königreichen, um sein Königreich zu vergrössern. Er herrschte seit Anbeginn der Zeit in diesem Land, niemand kannte es anders. Ebenfalls unbekannt war, warum er unsterblich war. Manche munkelten, er habe das Rezept des ewigen Lebens entdeckt, wiederum andere behaupteten, er hätte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.
Die Aufgabe der „Ràk Ra Stér“ war es, Verräter, Diebe, Mörder und gegnerische Krieger kaltblütig umzubringen. Sie hatten kein Gewissen, führten den Befehl ihres Herrschers ohne mit der Wimper zu zucken aus. Sie wussten, wie man schnell und effektiv tötete, denn ihre Ausbildung dauerte zehn Jahre, und nicht wenige kamen während dieser Zeit um. Diejenigen, die es schafften, die Ausbildung zu beenden, gehörten zu den besten Kriegern des Landes. Sie unterstanden nur dem Herrscher selbst. Fàramir selbst hatte die Ausbildung ohne Mühe bestanden, war einer der besten, die es je gegeben hatte. Er war kaltblütig, gerissen und führte jeden Befehl ohne nachzufragen aus, auch wenn er fragwürdiger Natur war.
Bis jetzt. Etwas war anders. Etwas hatte sich geändert. Doch was? Fàramir war sich nicht ganz sicher. Doch jetzt stand er da, nach einer gewonnen Schlacht, vor dem letzten Überlebenden, und zögerte. Er hatte ganz klar den Befehl, alle Überlebenden umzubringen. Doch dieser Krieger war anders. Er hatte eine Aura, wie Fàramir sie bei keinem anderen je gespürt hatte. Er strahlte Stolz und Kraft aus. Was wäre, wenn er ihn nicht töten würde? Er könnte ihn einfach gehen lassen, die anderen würden es nie erfahren, denn alle waren bereits wieder zurück ins Lager gegangen. Sie vertrauten Fàramir, dass er alle Überlebenden umbringen würde, sie wenn nötig verfolgen und dann langsam und qualvoll töten würde.
Sie waren allein auf dem riesigen Schlachtfeld, nur einige Geier kreisten über ihren Köpfen und warteten darauf, dass sie den unzähligen Toten, welche überall um die zwei Krieger herum lagen, die Augen auspicken konnten. Meilenweit war keine andere Menschenseele. Die Sonne war gerade untergegangen und die Dunkelheit legte sich langsam über das Schlachtfeld. Bisher war es ihm immer gleichgültig gewesen, was seine Opfer fühlten, er tötete sie und fertig. Er hatte nie ein schlechtes Gewissen, es war ihm egal.
Eigentlich war schon allein die Tatsache, dass er überhaupt darüber nachdachte, dass es eine andere Möglichkeit gab, als ihn zu töten, ein Verrat an seinem Herrscher. Und trotzdem liess ihn dieser Gedanke nicht los. Was wäre, wenn er ihn verschonen würde? Er sah auf den Mann hinunter, welcher ihm herausfordernd in die Augen blickte. Sie waren so blau wie das Meer. Er hatte das Meer noch nie gesehen, trotzdem stellte er sich vor, es hätte genau diese Farbe. „Eines Tages“, dachte er, „werde ich es sehen“. Fàramir erkannte keine Angst in seinen Augen.
Das verwirrte ihn. Jeder andere Mann hätte sich vor Angst in die Hosen gemacht und starr auf den Boden geblickt. Immerhin war er Fàramir, der beste Krieger auf Seiten seines Herrschers. Und der Mann, welcher da vor ihm auf dem Boden kauerte, war nichts weiter als ein gewöhnlicher gegnerischer Krieger, der letzte Überlebende des feindlichen Heeres. Warum also, dachte er allen Ernstes darüber nach, ob es eine andere Möglichkeit gab, als ihn zu töten? Er wurde seit seiner Kindheit aufs Töten ausgerichtet. Bisher stellte er nie Fragen, tötete auf Befehl.
Fàramir und der Krieger starrten sich noch immer an. Die braunen, fast schwarzen Augen Fàramirs bohrten sich in die meerblauen des Kriegers. Die Lippen des Kriegers verzogen sich zu einem Lächeln. „Na los! Du weisst, dass es einen anderen Weg gibt. Eine andere Seite! Trau dich!“ flüsterte er leise. Fàramirs Augen weiteten sich überrascht. Der Krieger sprach seine Sprache! Er sprach von einer anderen Seite. Doch wo? Wie sah sie aus? „Verschone mich und beginne ein neues Leben als freier Mann!“ flüsterte der Krieger immer noch lächelnd. „Ich könnte dir helfen“ fügte er nach einer kurzen Pause hinzu. Ihn verschonen und mit ihm fortgehen. Fàramir begriff, was die andere Möglichkeit, die andere Seite, war. Und trotzdem, wenn er es täte, würde er sein Königreich verraten, und mit ihm den Herrscher. Er würde verfolgt und gejagt werden, bis sie ihn zur Strecke gebracht hätten. Er hätte keine Chance. Früher oder später würden sie ihn finden und hinrichten. „Ich kann nicht“ Fàramir blickte in das Gesicht des Kriegers. Verständnisvoll nickte der Krieger. „Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Töte mich, ich bin bereit“ antwortete der Krieger sanft.
Fàramir ballte die linke Hand zur Faust und ergriff mit der rechten sein mit Blut besudeltes Schwert. Er hielt es dem Krieger seitlich an den Hals. Den Augenkontakt hatten sie keine einzige Sekunde lang unterbrochen. Dann holte er aus und wollte ihm schon den Kopf abschlagen, als er plötzlich innehielt und zögerte. Er zögerte sonst nie. Einfach ausholen und zuschlagen, wie er es bestimmt schon tausende Male getan hatte. Doch wieder befielen ihn diese Zweifel. Er merkte auch, dass er nicht wie sonst diese Aufregung, die Vorfreude auf das, was gleich geschehen würde, verspürte. Er fühlte nichts. Und das machte ihm Angst. Als ihm dies bewusst wurde, liess er das Schwert endgültig sinken. Er wollte nicht mehr töten. Sein Leben lang hatte er nichts anderes getan, als zu gehorchen und zu morden. Jetzt hatte er genug. Er würde diesen Krieger nicht töten, er sah keinen Grund mehr. Er wollte kein Krieger mehr sein, er wollte ein normales Leben führen, heiraten, Kinder kriegen, durch die Welt reisen und neue Orte entdecken. Auch wenn seine Entscheidung bedeutete, dass er nun ein Verräter war, war es ihm egal. Er wollte ein neues Leben beginnen, egal wie kurz es auch sein würde. Nie mehr töten.
Fàramir begann zu lächeln und fragte „Kannst du sie mir zeigen? Die andere Seite?“
„Und eben genau deshalb beträgt x in diesem Falle ganz genau
23. Wer kann die Aufgabe noch mal an der Tafel vorrechnen? Wie wärs mit dir,
Daniel?“
Beim Klang seines Namens blickte Daniel auf. Es war ein verregneter Dienstagnachmittag,
und er saß wie immer noch in der Schule.
Meist jedoch verfolgte er nicht sehr aufmerksam das Unterrichtsgeschehen, sondern
träumte vor sich hin. Deshalb erschrak er ein Wenig, als Frau Richter seinen
Namen nun schon zum zweiten Mal, und deutlich lauter als vorher, aufrief.
„Ja, was ist?“ murmelte Daniel mit monotoner Stimme.
„Du wirktest wie immer total abwesend. Wie oft habe ich dir
schon gesagt, dass du dich bei deinen Noten lieber auf Mathematik konzentrieren
sollst, als dich andauernd in deine Fantasiewelten zu verkriechen?
Du sollst diese Aufgabe, die wir übrigens eben ausführlich
besprochen haben, noch mal an die Tafel schreiben!“
Natürlich konnte Daniel die Aufgabe nicht vorrechnen, so wie
es Frau Richter von ihm Verlangte. Natürlich bekam er wegen Unaufmerksamkeit
für diese Stunde eine sechs eingetragen, und natürlich war er einmal mehr das
Gespött seiner Klassenkameraden.
Als es zum Unterrichtsende klingelte, packte er hastig seine
Bücher und Hefte in seinen Rucksack, zog seine Jacke an und verließ so schnell
wie möglich das Klassenzimmer.
„Hihi, habt ihr mitbekommen, wie unglaublich gut unser
Daniel heute wieder in Mathe war?“ „Ja, klar, aus dem wird noch mal ein
richtiger kleiner Einstein.“ „Ja genau, und jetzt geht er sicher zu seinen
Freunden, er hat ja sooo viele“
Die hämischen Sprüche seiner Mitschüler nahm Daniel nur am
Rande wahr. Zu oft hatte er ähnliche Sätze gehört, um ihnen noch Beachtung zu
schenken. Es war immer das Gleiche, was sie über ihn redeten. So laut, dass er
sie deutlich verstehen konnte. So leise, dass er sich unsicher war, ob sie dies
beabsichtigten.
Zuhause angekommen, schlang der Junge so schnell er konnte
sein Mittagessen hinunter, beantwortete einige Fragen seiner Mutter mit einem
zustimmenden Brummen oder einem stummen Kopfschütteln. Er wollte sich nicht mit
diesen Nebensächlichkeiten aufhalten, sondern so schnell es ging in seinem
Zimmer verschwinden.
Daniel wusste genau, dass er anders war als die anderen
Menschen. Was genau es war, konnte er nicht genau sagen. Seit seiner
Grundschulzeit fühlte er sich unwohl, wenn er unter Menschen war, seien es
Fremde, Mitschüler oder Familienmitglieder. Er fühlte einen tiefen Abgrund,
zwischen sich und dem Rest der Menschheit. Er wirft sich auf sein Bett und
schließt die Augen, um die hervorschießenden Tränen zu unterdrücken.
Daniel steht in einer
trostlosen Umgebung vor einem reißenden Fluss. Dieser ist mindestens 15 Meter
breit, der Grund ist nicht zu erkennen. Er blickt sich um. Sein Blick wandert
über riesige Felsbrocken, die wie Gefährliche Monster aus der Erde ragen. Er
sieht kahle Bäume, die einen unheimlichen Schatten auf den kargen Erdboden
werfen. Ein paar Meter weiter erkennt er eine alte, aus vergilbten Holzbrettern
mit rostigen Nägeln zusammengehämmerte Hütte. Es ist mehr ein Unterstand, denn
es gibt keine Wände oder ähnliches. Sonst gibt es nichts, auf der Seite des
Ufers, wo Daniel steht.
Sein Blick fällt auf das andere Ufer. Alles, was dort ist, kann er nur verschwommen betrachten,
so weit entfernt scheinen die Menschen und Gegenstände dort zu sein. Es scheint, als ob die
Menschen dort sehr fröhlich sind. Sie halten sich an den Händen, singen laut
und tanzen zu Musik, die eine Band spielt. Auch die Umgebung sieht ganz anders
aus. Saftiges, grünes Gras bedeckt den ganzen Boden, die Bäume schmücken
dunkelrote Äpfel, pralle Pflaumen und saftige Kirschen, es gibt ein richtiges
Holzhaus mit edlen Verzierungen, und sogar ein großes Trampolin befindet sich
dort, auf dem einige Kinder jauchzend herumspringen.
„Da wär ich auch
gerne“, denkt Daniel. Er geht einige Schritte dem Fluss entgegen. Seine
Schritte werden schwerer, je näher er dem Fluss kommt. Als er unter großer
Anstrengung dennoch nach einiger Zeit am Wasser angekommen ist, schaut er sich
in alle Richtungen um. Doch es scheint keine Brücke zu geben, auf der er hätte
den Fluss überqueren können, um mit den anderen Menschen mitzufeiern. Es gibt
noch nicht einmal eine Liane, die er ergreifen, und sich hinüberschwingen
könnte. So steht er einfach nur dort, um schaut zu den fröhlichen Menschen
hinüber. Nach einiger Zeit, beginnt er zu rufen, doch keiner hört ihn. Keiner
will ihn hören. Doch da, ein anderer Junge schaut in seine Richtung, tritt dann
auf seiner Uferseite ans Wasser, und streckt seine Hand nach Daniel aus. Auch,
wenn der Fluss zwischen ihnen liegt, hebt er ebenfalls seine Hand. Doch kurz
bevor sie mit der Hand des anderen Jungen auf einer Höhe ist, zieht dieser
seine Hand zurück, und fängt an zu lachen. Dann dreht er sich um, und geht
wieder zurück zu seinen Freunden. Sie haben anscheinend viel Spaß dabei, sich
nach Daniel umzudrehen, mit dem Finger auf ihn zu zeigen und ihn auszulachen.
„Schatz, ich mache mir langsam Sorgen um unseren Jungen“
„Ja Marie, ich weiß, was du meinst. Er wird immer stiller
und zieht sich zurück, stimmts?“
„Ich meine nicht nur das. Er war ja schon immer ein
zurückhaltender Junge. Kannst du dich noch an seinen ersten Schultag erinnern?
Wie sehr er weinte, weil er sich zu den anderen Kindern in die erste Reihe
setzen sollte?“
„Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern, ja.“
„Nunja, aber in der letzten Zeit ist mir noch etwas anderes
aufgefallen. Mir kommt es manchmal so vor, als ob er wenn er die Augen
aufmacht, nicht dieselbe Welt sehen, wie wir. Ich weiß nicht, ob er merkt, dass
wir uns um ihn sorgen, dass wir ihm helfen wollen.“
Seine Eltern sind wirklich besorgt um ihn. Sie möchten ihm
gerne eine tolle Zukunft bieten, es mangelt ihnen nicht an Geld und es geht der
Familie insgesamt nicht schlecht.
Daniel versucht derweil immer noch verzweifelt, irgendwie über den Fluss zu kommen.
Immer stärker wünscht er sich, so zu sein, wie die anderen. So verdammt gerne würde er einfach mit
ihnen reden, lachen, feiern. Als er keine andere Möglichkeit mehr sieht, nimmt
er in seiner Verzweiflung Anlauf, und versucht blödsinnigerweise über einen 15
Meter breiten Fluss zu springen. Natürlich misslingt sein Vorhaben.
Man findet ihn etwa zwei Stunden später leblos unter einer
Eisenbahnbrücke.
„Unsere Herrscherin ist schwach…“ Besorgt blickt Gevatter Mond in die unendlich weite Ferne des Universums, wo die Sonne ihre Strahlen nur noch schwächlich versprüht. Ihr weises, altes Gesicht ist angestrengt und schmerzverzerrt. Des Mondes tausend Gefährten, die Sterne, können sich mit der Wahrheit kaum abfinden. Dass so etwas geschehen sollte, hätten sie niemals erwartet.
„Wie nur konnte so etwas geschehen, Bruder?“, fragt einer davon den Mond, welcher seine Stirn in Falten gelegt hat.
„Seit Anbeginn der Zeiten wacht sie über uns. Schien sie auch unverwundbar, von ewigem Leben zu sein, so läuft auch ihr die Zeit langsam davon… Ist sie auch stark, so wird sie es nicht mehr lange durchhalten. Unsere Welt, wie wir sie kennen, wird es bald nicht mehr geben. Denn Mutter Sonne hält uns alle zusammen, und wenn sie jemals aufgeben müsste, so müssten auch wir es ihr gleich tun.“ Traurig schliesst der Gevatter seine Augen. „Sie ist älter als die Erde, älter als wir alle zusammen. Treu hat sie uns alle geschützt und uns vor Unheil bewahrt. Indem sie ihre Herzenswärme in Flammen umwandelte und damit die Galaxie in Licht tauchte, konnte sie Geschöpfe erschaffen, welche glücklich den Planeten eroberten und sich dort einen Ort schufen, an dem sie ihr Leben verbringen konnten. Das ist der Sinn ihres Daseins, dass sie uns alle am Leben hält. Sowohl wir Himmelskörper als auch die Wesen auf der Erde verdanken ihr unsere Seele. Und jetzt soll alles vorbei sein…“
„Doch was ist mit der Sonne los, mein Bruder? Sie ist alt, gewiss, doch einige Jahre mehr oder weniger sollten ihr doch…“
„Ach, du naiver Tor, hast du denn wirklich keine Ahnung, was ihr zugestossen sein mag? Ihre Seele ist erkrankt, törichte Laune der Natur! All die Jahre, Millionen um Millionen… Täglich dasselbe, immer am Himmel stehen, der Welt das Licht einflüstern und pausenlos die Strahlen verschicken, damit die anderen sich daran erfreuen… Sicher, ihr ist gewiss, dass ohne das Licht ihres Herzens kein Wesen überleben kann. Und das ist auch das einzige, was ihr noch übrig bleibt. Dazu ist sie geboren, dies ist ihr Schicksal – und das ist ein enormer Druck. Ihr altes Herz hält es einfach nicht mehr aus. Irgendwann muss schliesslich das Ende eintreffen, und sie spürt, dass sie im Geiste schon lange verloren hat.“ Verängstigt blickt der kleine Stern zu dem wutverzerrten Gesicht des alten Mondes hinauf. So hat er den sonst so friedliebenden Gevatter seit Anbeginn seiner Existenz noch niemals erlebt. Vorsichtig fragt ein anderer Stern:
„Können wir denn gar nichts dagegen tun?“ Die Gesichtszüge des Mondes besänftigen ein bisschen, die Wut in seinen funkelnden Augen verwandelt sich in Trauer.
„Nein, gar nichts. Eine höhere Macht hat es so vorgesehen, dass das Leben schon bald für immer ausgelöscht werden soll. Die Sonne wird sterben, und das Universum wird gemeinsam mit ihr untergehen. Und auch sie wird froh darüber sein, ihren Lebenssinn bis an diese Stelle erfüllt zu haben. Es ist das Schicksal der Sonne, der Welt, jeglicher Existenz. Der letzte Tag der Sonne wird schon bald anbrechen, und keiner kann es verhindern.“
Der Teil der Erdbevölkerung, welcher zu dieser Zeit der Tag anbricht, blickt verwundert zum Himmel. Keine einzige Wolke zeigt sich, klarer könnte das Wetter nicht sein. Trotzdem ist es für diese Tageszeit erstaunlich dunkel. Im Winter wäre dies normal, doch es ist mitten im Sommer. Es scheint beinahe so, als habe die Sonne ihre Kräfte verloren, könne sie nur noch schwach ihre Strahlen an die Lebewesen der Erde weiterreichen. Man kann direkt in ihr Antlitz blicken, ohne geblendet zu werden. Ihre sonst so kraftvollen Flammen zucken nur schwach, schaffen es kaum, die Erde überhaupt zu erreichen. Die Menschen fragen sich, was das wohl sein könnte. Die meisten von ihnen winken ab. Man solle sich keine Sorgen machen, teilen sie den anderen mit, dies sei nur eine Laune der Natur. Bald schon wäre alles wieder normal… Ach, wüssten sie nur, was in wenigen Tagen schon auf sie zukommt... Doch was würde das nützen? Vor dem drohenden Unheil, was ihnen bevorsteht, können sie sich nicht schützen – keiner kann das. Niemand. Diese Macht liegt über dem Verstand der Menschen, sie haben keinen Einfluss darauf. Hilflos sind sie der Zukunft ausgeliefert, dem Ende der Welt. Und keiner von ihnen hat überhaupt eine Ahnung. In genau zwei Tagen wird der letzte Tag der Sonne anbrechen, und mit ihm der letzte Tag der Menschheit.
„Endlich wird mein Leiden ein Ende haben. Schon so lange, so lange warte ich auf diesen Tag, diesen einen Tag, der mich erlöst. Ich sollte mich freuen, doch ich kann es nicht. Die Menschen, ich sehe sie, sie blicken mich an… Ich blicke zurück und weiss, dass sie es nicht bemerken. Sie, für die ich meine Strahlen auf die Erde sandte, meine Boten des Lebens… Ich werde sie vermissen. Und dort drüben, der Mond und seine Gefährten… Mein lieber Mond, welcher mir als Berater immer so gut zur Seite gestanden ist… Besonders er wird mir fehlen, so sehr… Hach, wäre dies doch nur nicht mein Schicksal. Könnte ich doch auch dort auf der Erde leben und ein normales Dasein führen, ein Mensch ohne wichtige Aufgabe… Könnte ich doch ein Wesen sein, gleich wie jedes andere, unauffällig und von kaum jemandem beachtet… Das hört sich schön an. Und wer weiss, vielleicht werde auch ich einmal als Mensch wiedergeboren in einer neuen Welt, nach all diesen Strapazen, nach unserem Untergang. Ach, könnte ich mir nur gewiss sein, könnte mir nur jemand garantieren, dass ich jemals normal sein könnte, eine von vielen, von niemandem beachtet. Ich will doch nur meine Ruhe haben und nicht diese schreckliche Verantwortung, welche ein Fluch meiner Seele ist… Wieso nur, wieso ich? Weshalb wurde ich auserwählt, ich kann doch nichts dafür, schon seit Jahrmillionen auf die Erde mit all seinen Geschöpfen aufpassen zu müssen… Doch jetzt bringt alles nichts mehr. Ich spüre, ich habe keine Kraft mehr. Meine Gedanken sind das einzige, was mir noch bleibt, meine Strahlen hören auf zu leuchten, mein Gesicht wird ruhiger werden. Ich spüre, alles wird besser werden, wenn das alles vorbei ist. Lange werde ich nicht mehr durchhalten. Mich plagen keine Schmerzen, ich bin nur schwach. In all den Jahren habe ich nicht geschlafen, kein einziges Mal habe ich meine Augen geschlossen, um mich auszuruhen. Tags und nachts wachte ich über die Erde, Ruhe war für mich ein Fremdwort. Ich fasse meinen Entschluss: Morgen werde ich aufgeben. Morgen werde ich mein Schicksal besiegeln. Ich werde Gevatter Mond meine Entscheidung nicht mitteilen, das fiele mir zu schwer. Ich werde still und leise einschlafen. Einschlafen für immer. Morgen wird mein letzter Tag sein. Mein letzter Tag als Sonne. Und wer weiss, vielleicht werde ich ja jemals wiedergeboren in einer neuen Welt, in der meine Wünsche in Erfüllung gehen. Nach meinem Tode wird noch etwas kommen – Das spüre ich."
Eine schwache, aber kalte Brise erhob sich und zog über das Eis. Vereinzelte Schneeflocken wirbelten auf und stachen winzigen Nadeln gleich in meine unbedeckte Gesichtshaut. Leise plätscherten die Wellen gegen das gefrorene Land, strahlend schimmerte das rötliche Licht der untergehenden Sonne in ihnen. Ich hob die Hand vor die Augen, einerseits um mich vor den Eiskristallen zu schützen, andererseits um mich vor dem gleißenden Sonnenlicht abzuschirmen. Dem letzten Sonnenlicht für die nächsten Monate.
Wehmütig senkte ich den Blick. Ich hasste diese Zeit der nicht endenden Finsternis, wenn das einzige Licht in der Welt das der Straßenlaternen war. Jetzt schon vermisste ich die Sonne. Wie ihre sanften Strahlen zärtlich mein Gesicht liebkosten, wie ihr wärmendes Licht all meine Sorgen und Zweifel einfach hinwegspülte. Wie gern ich jeden Abend in der Zeit der Tagundnachtgleiche zur Küste ging, um zu bewundern, wie sie unterging. Dieses majestätische Schauspiel bewegte mich jedes Mal aufs Neue…
Aber das würde ich heute zum letzten Mal für lange Zeit sehen. Heute verschwand die Sonne zum letzten Mal hinter dem Horizont und tauchte die nächsten sechs Monate nicht mehr auf. Der arktische Winter begann. Jene Zeit des Trübsals und der Verbitterung, der Trauer und Dunkelheit…
Der Wind frischte auf und zerrte an der Kapuze meines Anoraks. Mit einer Hand hielt ich sie fest, den Blick noch immer gesenkt. Ich meinte bereits zu spüren, wie es immer kälter und kälter wurde…und das hatte nichts mit dem Wetter zu tun. Diese Kälte kroch aus dem Schatten der Nacht über die Welt und verdunkelte die Herzen aller Menschen in dieser gottverlassenen Eiswüste. Gnadenlos vernichtete sie Träume, Hoffnungen, Wünsche, ließ nichts als Verzweiflung und Angst zurück, raubte allen ihre –
„Sayan?“
Bei der Erwähnung meines Namens drehte ich mich überrascht um und blickte in Kayras wunderschönes Gesicht. Sie war mir tatsächlich den ganzen Weg hierher gefolgt, und das, obwohl unser Heimatort eine gute Stunde Fußmarsch entfernt lag. Meine Geliebte trat die letzten Schritte zu mir heran und sah mir direkt in die Augen. Sie lächelte.
„Ich wusste, ich würde dich hier finden…“, flüsterte sie und küsste mich liebevoll. Ich erwiderte den Kuss zärtlich und legte die Arme um sie. Ihre Nähe vertrieb mit einem Schlag all meine finsteren Gedanken und erfüllte mich mit Glück und Freude. Ich liebte sie für diese besondere Gabe.
„Du weißt, ich verpasse ihn nie…den letzten Tag der Sonne.“
„Ich weiß, ja. Seit zwanzig Jahren kommst du immer zur Tagundnachtgleiche hierher, um dir den Sonnenuntergang anzusehen. Ich weiß, was es dir bedeutet.“ Sie legte eine Hand auf meine Brust, direkt über meinem Herzen. „Und ich weiß, wie weh dir der Anblick des letzten Sonnenuntergangs vor dem Winter tut. Ich kenne deinen Schmerz…aber du musst ihn nicht alleine durchstehen. Ich werde immer bei dir sein, Sayan.“ Sie küsste mich erneut.
Mein Herz wollte schier überfließen vor Liebe. Seit vier Jahren waren Kayra und ich nun zusammen, und vom ersten Augenblick an war mir klar gewesen, dass sie die Richtige für mich war. Ihre sanfte, liebevolle Art hatte mich regelrecht verzaubert, und ihr Lächeln konnte selbst dem Trübsinnigsten wieder Freude schenken. Doch was sie so besonders machte, war ihre Gabe, mich allen Schmerz und alle Verzweiflung einfach vergessen zu lassen. Die schrecklichste Erinnerung und der grausamste Zorn verblassten einfach in ihrer Nähe. Sie strahlte eine solch starke Zuversicht und Lebensfreude aus, dass es ganz unmöglich war, von schlechten Gefühlen geplagt zu werden. Sie machte mich ein weiteres Mal den bohrenden Schmerz der nahenden Finsternis vergessen.
Nach einer wunderbaren Ewigkeit lösten sich ihre Lippen von meinen. Kayra fasste meine Hände und lächelte mir voller Wärme entgegen.
„Kehren wir nach Hause zurück, Sayan. Lyna wartet schon auf uns.“
Der Gedanke an meine Tochter beflügelte mich und verbannte endgültig jegliche Unsicherheit aus meinem Herzen. Auch wenn es die nächsten Monate dunkel sein würde, das Licht, das meine Familie mir schenkte, strahlte heller als tausend Sonnen. Nichts und niemand vermochte mir mehr Zuversicht zu schenken.
Gemeinsam schritten wir in Richtung unserer Heimatstadt. Unsere Bindung hätte nicht stärker sein können als in diesem Moment, als wir der verlöschenden Sonne den Rücken zuwandten und unserem Glück entgegengingen. Und in genau diesem Augenblick wurde mir eines klar…
Das Licht der Liebe bezwingt selbst den dunkelsten Schatten.