Natsumi wusste nicht so recht, wo sie das Schmunzeln der Rangerin einordnen sollte. Die gesamte Situation war ohnehin schon peinlich. Aber gut, Augen zu und durch. Schlimmer konnte es sowieso nicht mehr werden. Die Beklemmung würde sich schon früher oder später auflösen – so hoffte sie jedenfalls. „Ruhig bleiben. Du packst das schon. Es ist nur eine kleine Konversation, nichts weiter.“ Sie senkte den Kopf, so dass ihr Gegenüber der Blick auf ihr gerötetes Gesicht verwehrt wurde. Die junge Trainerin schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Es dauerte einige Sekunden bis sich das aufgewühlte Gefühl größtenteils gelegt hatte. Der hineinwehende Wind bezwang schließlich auch die verbliebene Nervosität, die schon bald darauf einer entspannten körperlichen Ruhe wich. „Na siehst du? Ein bisschen frische Luft und dir geht’s wieder bestens.“
Plötzlich spürte das Mädchen eine Hand auf ihrer rechten Schulter ruhen. Der leicht ausgeübte Druck wirkte tröstend. Als sie ihren Blick hob, blickte sie erneut in Alicias Gesicht. Ein Lächeln zierte nach wie vor ihre Lippen. Es verschwand auch nicht, als sie zu sprechen begann. "Ganz ruhig bleiben ja? Niemand reist dir hier den Kopf ab, oder?" Die Frau wandte sich kurz an den finster dreinblickenden Mann hinter ihr. Ihre Stimme hatte einen neckenden Unterton, der allerdings schnell wieder erstarb.
"Und natürlich muss ich dir danken. Nicht jeder hätte sowas gemacht. Das hätte schließlich auch viel ernster werden können, dein Leben hätte zum Beispiel auf dem Spiel stehen können." Die Finger ihrer rechten Hand wanderten zu den weißen Haarspitzen und umschlossen diese. Natsu glaubte den Bruchteil einer Sekunde lang Schwermut in den roten Augen aufblitzen zu sehen. Neugierde und der Wunsch die Ursache für diesen Ausdruck herauszufinden stiegen in ihr hoch. Egal ob sie sich geirrt hatte oder nicht, dieser Blick war dem Mädchen vertrauter als das Antlitz ihrer Mutter. Doch so groß auch der Reiz war Licht in dieses Dunkel zu bringen, hielt sie sich zurück.
Die versteckten Teile einer menschlichen Seele ergründen; verborgenes, geheim gehaltenes ans Tageslicht locken; Menschen dazu zu bringen dich an verschwiegenen Stellen ihrer Geschichte teilhaben zu lassen – diese Dinge üben eine ungeheure Faszination aus. Eine Faszination, der Natsumi noch nie widerstehen konnte. Schon immer hatte sie den Drang gehabt Menschen ihres Umfeldes dazu zu bringen sich ihr zu öffnen, um ihren Durst nach Wahrheit zu stillen. Doch meist beherrschte sie sich, denn sie kannte die Risiken nur zu gut. Weggesperrte Erinnerungen und alte Wunden wieder aufzubrechen, sie zum bluten zu bringen, konnte verheerende Schäden verursachen. Menschen konnten daran zerbrechen wie Glas. Sie hatte es schon am eigenen Leib erfahren müssen.
Der Klang von Alicias Stimme holte sie in die Realität zurück. "Kein Grund bescheiden zu sein, du warst eine große Hilfe Natsumi.“ Nach diesen Worten kehrte die Rangerin an ihren Platz zurück. Die Spitzen hatte sie bisher nicht losgelassen. "Wie wäre es, wenn ihr beiden erzählt wo ihr herkommt? Mein Patient hier...", Sie gab dem Samurai einen Schubs in die Seite, "wollte mir gerade erzählen, in welche Rauferei er gelandet ist." Auch jetzt lächelte sie weiter. Die Finger lösten sich von den Haaren und nur Sekunden später begann der Mann neben ihr zu erzählen, wie er sich die Blessuren zugezogen hatte. Während die Botanikerin mit einem Ohr lauschte, beobachtete sie die Gestik des Schwarzhaarigen. Er leckte mitten in der Erzählung grinsend das angetrocknete Blut von der aufgeplatzten Lippe. „Skurriler Typ“ Natsumi verzog leicht das Gesicht. Was genau sie bisher von ihm halten sollte, wusste sie nicht zu sagen. Aber Personen sollte man bekanntlich ja nie nach dem ersten Eindruck beurteilen.
Als er geendet hatte, herrschte eine peinliche Stille in der Kabine.
Kurze Zeit durchschnitt Davis’ Stimme das beklemmende Schweigen. "Ähm... also... ich bin Davis und komme aus Sinnoh, genauer gesagt aus Trostu. Vor kurzem hab ich mich dazu entschlossen auf Reisen zu gehen und so bin ich dann vor zwei Tagen hier gelandet. Heute Mittag hab ich, dank eines kleinen Flüchtlings, Natsu kennen gelernt." Aus dem Augenwinkel erkannte das Mädchen sein Lächeln. Mit einem Mal musste sie an sein beunruhigtes Verhalten denken. Natsu wusste, dass es ihre Schuld war, dass sie nun in dieser unangenehmen Situation festsaßen. Die Heiterkeit hatte sie wieder einmal übereilt handeln lassen. Sie schalt sich innerlich selbst einen Idioten. „Erst denken, dann handeln! Nicht umgedreht! Wie oft haben Mama und Papa dir hibbeligem Kind das schon gesagt? Selbst Damian hat dich mehrmals daran erinnert. Aber nein! Fettnäpfchen sind Madame lieber! “
Ein schlechtes Gewissen begann an ihr zu nagen. Ein Gefühl, das sie hasste. Da die Riesenradkabine recht klein war, saßen Davis und sie relativ nah beieinander. „Es tut mir Leid… Dieser peinliche Auftritt und alles, meine ich. Ich weiß, es ist mein Schuld. Meine Laune ist einfach mit mir durchgegangen.“ Sie flüsterte diese Worte so leise und verständlich es ging. Die anderen Beiden mussten nicht unbedingt hören, was sie sagte. Obwohl sie mit keiner Antwort gerechnet hatte, bekam sie dennoch eine. "Ist schon gut. Kann passieren. Zu zweit in eine peinliche Situation zu gelangen ist weniger schlimm, als allein sowas durchzustehen." Natsumi spürte wie sich Erleichterung in ihr breit machte. "Danke", wisperte sie kaum hörbar. Anschließend antwortete sie auf Alicias Frage. „Also, ich… ich komme aus Kanto. Aus einem Dorf, das auf einer kleinen namenlosen Insel am Rande der Region liegt.“ Sie lächelte, als sie sich an die Beiden gegenüber wandte. „Und woher kommt ihr beide, wenn ich fragen darf?“
OT: Sry, dass ich solang nicht mehr gepostet hab~ Hatte viel um die Ohren wegen der Schule usw. Es ist schon wieder grausam geworden... TT__TT
Procyon: Das Übernehmen der Durchsage ist vollkommen in Ordnung^^
David: Was war fast meine Idee o.Ö? Und du bist ein Ideendieb x3. Du weißt, was ich meine - Wölkchen :D.