So,
Ein Thema, dass mir schon seit einer Weile unter den Fingern brennt – und ja, ich weiß, dass der Titel erst einmal seltsam klingen mag.
Es geht darum, dass „abusive relationships“ (wortwörtlich übersetzt: „missbrauchende Beziehungen“) gerne in verschiedenen – gerade an Frauen gerichtete – Medien oftmals als romantisch und erstrebenswert dargestellt werden, ja, als das Non Plus Ultra, nach dem Motto „Hey, dir mag es dreckig gehen, wenn dein Freund sich so verhält, aber wenn er sich anders verhält liebt er dich nicht richtig!“
Doch ja, ich weiß, die Frage die sich nun erst einmal stellt ist: Was ist überhaupt eine „missbrauchende Beziehung“?
Nun, dazu gibt es eine Liste von 15 Punkten, die dort immer als Indikator angesehen werden.
Ich habe diese Liste von einer englischen Beratungsseite für Frauen übernommen, daher seid euch bitte bewusst, dass hier zwar immer „er drängt sie“ steht, aber es eigentlich auch „sie drängt ihn“ heißen könnte. Auch eine Frau kann der missbrauchende Partner sein.
ZitatAlles anzeigen1. Er drängt sie sehr früh in eine sehr enge Beziehung.
Dies passiert zum Beispiel durch starke Liebesbekundungen, nach dem Motto „Ich habe nie jemanden so wie dich geliebt“, „Wir sind dafür gemacht für immer zusammen zu bleiben“ usw.
2. Er reagiert schon wegen Kleinigkeiten eifersüchtig.
Zum Beispiel auch, wenn man nur mit einem guten Freund einmal abends essen geht.
3. Er versucht sie zu kontrollieren.
Geht meist mit dem Punkt 2 einher. Es werden Kontrollanrufe gemacht nach dem Motto: „Wo bist du gerade? Mit wem verbringst du gerade Zeit? Aha, mit der Anita? Was machst du denn mit der?“ Der Partner will immer wissen, was der andere Partner gerade macht.
4. Er hat unrealistische Erwartungen.
Es wird erwartet, dass der andere Partner perfekt ist und genau so handelt, wie er/sie es sich immer vorgestellt hat. Es wird versucht den Partner in dieses Bild zu zwingen.
5. Er versucht sie zu isolieren.
Es wird versucht, den Partner von seinen Freunden und seiner Familie zu isolieren. Der Partner soll nur Zeit mit ihm/ihr, allerhöchstens seiner/ihrer Familie und Freunden verbringen.
6. Er macht andere für seine Fehler verantwortlich.
Egal was für Probleme in der Beziehung entstehen. Es sind immer andere Schuld. Seine/ihre Freunde, seine/ihre Arbeit oder eben der andere Partner.
7. Er macht andere auch für seine Gefühle und seine Gefühlsschwankungen verantwortlich.
Anstatt in emotionalen Situationen „Ich“-Nachrichten auszusenden, werden daraus „Du“-Nachrichten. Also „Du machst mich wütend“, „Du machst mich traurig“ usw.
8. Er reagiert überempfindlich.
Über einfache, alltägliche Dinge wird über die Maßen emotional reagiert.
9. Er misshandelt Tiere oder Kinder.
Auch wenn es etwas seltsam erscheint: Wer Tiere oder Kinder über die Maßen streng bestraft, hat starke Neigungen dazu ein missbrauchender Partner zu sein.
10. Während dem Sex nutzt er oftmals „spielerisch“ Gewalt.
Sei es in kleinem oder großen Rahmen, will der Partner stark und sehr deutlich während dem Sex dominieren, zwingt den anderen Partner eventuell auch zu Sachen, die dieser gar nicht will.
11. Er degradiert sie verbal.
Sei es durch übermäßige Kritik oder durch direkte Beleidigungen, wird der andere Partner permanent verbal degradiert.
12. Er besteht auf die Geschlechterrollen.
Gut, dieser Punkt gilt so tatsächlich nur für einen männlichen missbrauchenden Partner: Er besteht darauf, dass die klassischen Geschlechterrollen eingehalten werden. Am besten bleibt die Partnerin zuhause und macht den Haushalt, während er arbeitet. Und sie hat keine eigene Meinung zu haben.
13. Er neigt zu plötzlichen Gefühlsschwankungen.
Von jetzt auf gleich kann etwas den Partner komplett umwerfen und er/sie wird auf einmal furchtbar sauer, obwohl er einen Moment vorher noch glücklich war.
14. Er war schon in der Vergangenheit durch Gewalt auffällig.
Es ist bekannt, dass der Partner in seiner Vergangenheit Probleme hatte, seine Emotionen zu zügeln und ist öfter in gewalttätige Auseinandersetzungen geraten oder hat auch ehemalige Partner geschlagen/misshandelt.
15. Der bedroht sie.
Der Partner bedroht den anderen Partner, entweder mit Gewalt oder anderen Sachen. Dies können auch Drohungen, à la „Wenn du das nicht machst, tue ich mir etwas an.“ sein.
Es gibt auch noch einige andere Punkte, die Indizien sein können, aber generell sind es diese 15, die gerade in Frauenhilfsorganisationen auch immer wieder genannt werden.
Wie sich wohl jeder denken kann, der diese Liste durchliest: Der Partner, auf den diese Punkte zutreffen, hat ein ernstzunehmendes psychisches Problem. Vermutlich eine Mischung aus Minderwertigkeitskomplexen und Kontrollproblemen. Er ist psychisch krank und sollte sich in Behandlung begeben.
Doch Tatsache ist es, dass dies eben deswegen ein Thema ist, weil viele Frauen es hinnehmen. Gerade wenn die Gewalt eher verbaler Natur ist oder der Freund sie nur „leicht“ schlägt. Denn immerhin haben sie schon von viel schlimmeren Dingen gehört. (Und anders herum ist es ohnehin so, denn ein Mann wäre ja eine Mimose, wenn er rumjammert, nur weil seine Freundin ihm ab und an eine Ohrfeige verpasst hat.)
Die Sache, die ich hier jedoch ansprechen möchte ist, dass eben dieses Verhalten gerne gerade in Büchern, Filmen oder Comics für eine weibliche Leserschaft romantisiert wird.
Beliebtestes Beispiel dahingehend ist immer noch Twilight/Bis(s). Denn die Beziehung Edward/Bella entspricht praktisch jedem dieser Punkte auf die ein oder andere Art und Weise.
Der erste Punkt ist klar. Der zweite auch: Der gute Eddie reagiert nur, wenn Bella Zeit mit Freunden verbringt eifersüchtig. Er will immer wissen, was sie macht – zu ihrer eigenen Sicherheit, wie er sagt. Stalkt sie sogar. Unrealistische Erwartungen sind auch klar und ebenso, dass er sie von Freunden und Familie wegholt. Na ja, kann man so weiterführen. Jedenfalls sei gesagt: Der gute Edward hat einige psychischen Probleme, und ist damit, weiß gott, nicht der einzige „romantische Held“ dieser Art.
Selbst in „klein Mädchenfilmen“, à la den Disneyprinzessinnen und dergleichen, finden sich derartige Verhaltensmuster immer wieder gern und viele der „Prinzen“ entsprechen zumindest der Hälfte der Punkte.
Und auch in genug Manga finden sich solche Sachen. Gerade bei den sogenannten „Smut“ Manga (also „erotische Manga“ für etwas ältere Mädchen) haben wir es am laufenden Band: Er ist besitzergreifend und kontrollierend, vergewaltigt sie praktisch ständig, aber das ist ja alles sooooo romantisch.
Es gibt dahingehend nicht umsonst den Ausdruck „Sugar Rape“, was Geschichten bezeichnet, in denen er sie vergewaltigt, aber ihr gefällt es am Ende total und er vergewaltigt sie ja auch nur, weil er sie so liebt.
Ja, tatsächlich fallen mir kaum Jugendbücher, in denen es romantische Plots gibt, ein, wo der eine Partner nicht zumindest 10 der Punkte erfüllt. Ja, auch Harry Potter und The Hunger Games (und viele, viele andere).
Und dann gibt es noch das Buch „(50) Shades of Grey“, eine ehemalige Twilight-Fanfiction, wo es wirklich schon extrem wird.
Doch das Problem ist, dass viele, viele Mädchen und (junge) Frauen dies wirklich romantisch finden und teilweise eben von genau so einem Partner träumen (gut, vielleicht nicht von den Schlägen). Sie wollen einen emotional zerrissenen Mann, der überreagiert, der eifersüchtig ist und der sie kontrolliert. Jedenfalls träumen sie erst mal davon.
Wenn sie in so einer Situation sind, dann ist es natürlich nicht mehr so schön, weil dann leiden sie darunter. Aber dann kommt es eben wieder zu dem, was ich schon angesprochen hatte: „Stell dich nicht so an, anderen geht es schlimmer“ und dazu nicht selten die verirrung „In dem Buch XY da war das auch so, aber er hat sich ja für sie verändert“ - und deswegen bestehen diese Beziehungen fort ohne das die Frau etwas sagt.
Das „Verändern“ wird wohl auch der große Punkt sein, was so viele Frauen daran fasziniert.
Denn während ein normaler, emotional stabiler Junge recht nett ist, so ist ein so zerrissener junger Mann... Dies eben nicht. Umso mehr wirkt es wie ein Zugeständnis, wenn er sich für sie verändert und wenn er auch nur einmal nett ist.
Und das scheinen viele romantisch zu finden – zumindest vermuten das einige Psychologen.
Ja, das ist tatsächlich das Stockholm Syndrom, wenn man so will.
Doch das nur als Ansatz.
Nun die Fragen an euch:
Was haltet ihr von solchen Beziehungen in den Medien?
Was glaubt ihr macht die Faszination an solchen Beziehungen aus?
Wie sehr glaubt ihr, dass sich Leser(innen) davon beeinflussen lassen?
Kennt ihr noch Beispiele, wo es solche Beziehungen in Büchern/Filmen/Comics gab?