Vor nicht einmal einem Jahr schlossen sich Tausende Menschen PEGIDA in Dresden und anderen deutschen Städten an. Es waren Menschen mit unterschiedlichen Problemen, die sie (vielleicht aus purer Dummheit) auf den Islam bzw. auf die Muslime kanalisierten.
Als Muslim gilt für diese Menschen so ziemlich jeder, der grob aus südöstlicher Richtung zuwandert oder auf der Flucht nach Deutschland kommt. Obwohl es in Deutschland relativ wenige Muslime gibt und diese Muslime ein Schattendasein führen, werden sie von vielen Bio-Deutschen (wie man so schön sagt) als Bedrohung wahrgenommen. In dieser Stimmung der Angst und des allgemeinen Hasses geraten die Fakten außer Sicht, sodass ein kritischer Diskurs mit der aufgepeitschten Menge eigentlich sinnlos ist.
Doch warum die Angst gerade vor den so unterschiedlichen Muslimen? Ich habe heute ein Cover des Magazins SPIEGEL entdeckt, das mich ein wenig schockiert hat, weshalb ich sofort geprüft habe, ob es wirklich der SPIEGEL gedruckt hat. Leider hat sich das bestätigt.
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Ich muss natürlich zugeben, dass ich den dazugehörigen Text nicht gelesen habe, aber was hier dargestellt ist, ist wirklich heftig. Das deutsche Nationalsymbol, hell erleuchtet, dahinter schwarze Nacht, und hinter Wolken der Halbmond mit dem Stern, Bild für den Islam. Was will uns das sagen? Der Islam hängt drohend über Deutschland? Dazu: Mekka Deutschland! Schock! "Deutschistan" denkt sich der deutsche Stammtischrassist, in der irrigen Annahme, es handle sich bei den "-istan"-Ländern um Arabien. Darunter: Stille Islamisierung. Deutschland wird also islamisiert, es gibt also einen gelenkten Prozess und der findet auch noch heimlich statt.
Dieses Cover erinnerte mich sofort an einen NPD-Wahlwerbespot, in dem sich über schöner deutscher Landschaft plötzlich der Himmel verdunkelte und ein Halbmond erschien. Drei Elemente gleichen sich: Deutsche Symbolik, Nacht, der Halbmond.
Weil es mich interessierte, suchte ich nach weiteren Zeugnissen für die üble Verallgemeinerung von Muslimen. Keine schöne Expedition. Eine kleine Collage:
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Jedes dieser Cover verdiente es, einzeln behandelt zu werden, wofür ich nun keine Zeit habe. Einige Gemeinsamkeiten:
- Eine generelle Verwendung des Wortes Islam ohne genauere Differenzierung bzgl. der regionalen, kulturellen und religiösen Vielfalt des Islam.
- Die Betonung des Fremden im Gegensatz zum bekannten Deutschen. Das Deutsche wird einer akuten Bedrohung ausgesetzt dargestellt. Das Fremde wird nur als Masse oder unkenntlich dargestellt.
- Die Verbindung mit "Islam" und Gewalt. Es findet keine genaue Differenzierung derjenigen Facette, Politik und Kultur statt, die zu Terrorismus wird.
- Die Verallgemeinerung: Vorne eingefügt der Terrorist, daneben ein büßender Schiit, dahinter Gläubige in Mekka. (Zu sehen auf dem Cover in der Mitte.) Drei Dinge, die zunächst wenig miteinander zu tun haben, werden vermischt und damit in einen (bedrohlich aussehenden) Topf geworfen.
- Suggestivfragen: Der Stern fragt unschuldig "Wie gefährlich ist der Islam?" und umgeht damit die Frage "Ist der Islam überhaupt gefährlich?" und "Was ist der Islam eigentlich?". Eine Gefährdung durch den Islam wird vorausgesetzt.
- Symbolik: Es wird beim Stern viel mit der Farbe Grün gearbeitet. Dazu außerdem rassistische Vorurteile: Der Oberlippenbart, die Burka, das Bleistiftminarett.
Alles in allem wird ein stark vereinfachtes Bild des Islam gezeichnet. Ich würde sogar sagen, es wird ein schlichtweg falsches Bild gezeichnet. Der Islam wird dargestellt als: Fremd, homogen, gefährlich, rückwärtsgewandt, undurchsichtig, düster, geheimnisvoll, unintegrierbar.
Wer auf diese Weise in Deutschland von einer Willkommenskultur spricht, hat sie nicht mehr alle. Die meisten Muslime in Deutschland leben ein friedliches Leben, sie haben unscheinbare Moscheen in Hinterhöfen, weil irgendwelche Kartoffelköpfe gegen repräsentative Bauten demonstrieren. Das ist total schade. Ich würde mich freuen, wenn wir schöne, auffällige Moscheen hätten, die zeigen, dass in diesem Land Muslime leben. Stattdessen werden die Gläubigen mit Hass, Vorurteilen und dümmsten Ängsten konfrontiert.
Das ist traurig. Ich hoffe, man wird irgendwann einmal mit verständnislosem Kopfschütteln auf diese Zeit schauen, in der sogar vermeintliche Qualitätspresse so einen Dünnschiss abgedruckt hat.
EDIT: Jedem, der sein Abendessen drin behalten will, empfehle ich, diese Cover nicht einzeln durchzuschauen, wie ich es gerade nochmal getan habe. Sonst springen ihm welche ins Auge wie das vom Stern "Islam - Warum wollen sie uns töten?". Das ist.. oh mein Gott, ich habe kein Wort dafür. Würde das bei einer rechtsradikalen Veranstaltung stehen, würde ich mir denken "Oh krass, aber was soll's? Nazis sind halt dumm wie Scheiße". Aber so etwas auf einem Cover des Stern. Ich kriege die Krise.
Der Stern sollte wieder zu seinen knallhart recherchierten, schonungslos kritischen Titelstorys zurück, wie z.B.:
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Ach, Deutschland...