Eigentlich wollte ich hier zunächst einen Artikel schreiben, der sich mit dem mangelnden Erfolg der Wii U befasst. Bloß schon bei den ersten Gedanken, die ich mir zu diesem Thema machte, wurde mir klar, dass das eigentlich ein viel tiefgreifender Sachverhalt ist. Aber dennoch werde ich diesen Sachverhalt als Aufhänger für das Nachfolgende verwenden. Schauen wir uns zunächst einmal die Verkaufszahlen der Wii U an. Diese sind laut vgchartz.com (Stand 24.02.2014) bei derzeit 5,7 Millionen weltweit verkauften Wii Us. Die Wii U ist bereits seit über einem Jahr erhältlich. Die PS4 mit einem Jahr weniger hat bereits 5,4 Millionen Einheiten absetzen können.
Nintendo selbst sieht die Ursache des mangelnden Erfolgs der Wii U in dem Umstand begründet, dass Kunden das Konzept und die Vorteile des Game Pads nicht verstehen. Tatsächlich mag es stimmen, dass man das Game Pad in einer Werbung mit einer glücklichen Familie nicht so gekonnt in Szene setzen kann, wie seinerzeit die Wiimote. Dennoch dürfte das nicht die alleinige Erklärung sein.
Bei Gamern war ein anderes Argument der Grund für den ausbleibenden Erfolg: Die schwache Spieleauswahl der Wii U, insbesondere bei First-Party-Titeln. So gab es zum Launch von Nintendo selber tatsächlich nur mit Nintendoland ein Party-Spiel, das nicht den Charme eines Wii Sports erreichte und New Super Mario Bros. U, eine Fortsetzung der 2D-Mario-Reihe, die viele Spieler für Zweite-Wahl-Titel halten, obgleich New Super Mario Bros. U wahrscheinlich das beste 2D-Jump-n-Run seit Jahren und das beste 2D-Mario seit Super Mario World (1991) ist. Von Third-Party-Publishern gab es hingegen vor allem Aufgüsse von Multiplattform-Titeln a la Batman Arkham City, Call of Duty und dergleichen. EA machte sich noch nicht einmal die Mühe, ein anständiges Fifa 13 zu entwickeln, sondern passte lediglich die Kader von Fifa 12 an und labelte das Resultat als Fifa 13. Lediglich ZombiU von Ubisoft stellte einen eigenständigen Titel dar, das Spiel selber war jedoch von durchwachsener Qualität und die Zielgruppe wohl eher eine Nische. Der mangelnde Erfolg der Wii U gerade zur Anfangszeit mag tatsächlich in der schwachen Spieleauswahl begründet liegen. Doch mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen und in der Zwischenzeit sind einige herausragende Spiele erschienen:
Im Frühjahr 2013 beglückte uns Monster Hunter 3 Ultimate, sowohl für den 3DS als auch für die Wii U. Zynisch könnte man nun einwerfen, dass es nur eine leichte Verbesserung von Monster Hunter Tri für die Wii ist, aber dennoch handelt es sich hierbei um einen Titel, der viele Stunden Spielspaß mit einer unglaublichen Spieltiefe bietet, einen guten Online-Modus besitzt und somit alles andere als ein billiger Casual-Titel ist. Dieses Spiel ist deutlich mehr „hardcore“ als viele andere Spiele, die heutzutage als Hardcore-Titel bezeichnet werden, sowohl was Komplexität, als auch Schwierigkeitsgrad angeht. Hinderlich für Nintendo dürfte es gewesen sein, dass MH3U auch für den 3DS erschien und somit der Anreiz, eine Wii U zu kaufen für viele Leute nicht gegeben war. Zudem ist die Monster-Hunter-Reihe eben nicht so leicht zugänglich, was viele Spieler von vornherein abschreckt.
Im Sommer erschien dann Shigeru Miyamotos Pikmin 3. Im Gegensatz zu MH3U ist Pikmin deutlich leichter zugänglich und spricht auch eine andere Zielgruppe an. Qualitätsmängel kann man dem Spiel wahrlich nicht nachsagen. Pikmin genießt allerdings nicht den selben Stellenwert, wie Mario, Zelda oder Pokémon und auch die Faszination des eher kindlich und putzig wirkenden Spiels lässt sich jemandem, der nie Pikmin gespielt hat, schwer vermitteln.
Im Herbst (in den USA pünktlich zu Thanksgiving und zum Black Friday, für den Rest der Welt rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft) erschien dann Super Mario 3D World, das man jetzt zweifelsfrei als vollwertigen Mario-Titel bezeichnen kann, wenn man das schon zynischer Weise bei New Super Mario Bros. U nicht wollte. Super Mario 3D World war nicht nur endlich der sehnlichst erwartete, wichtige First-Party-Titel, sondern ein ganz hervorragendes Spiel, das quer durch die Bank mit Bestwertungen bedacht wurde und von dem Spiegel Online schreibt dass „in jedem Level (…) mehr Einfälle als bei manch anderem Spiel auf ganzer Länge“ stecken. So bot SM3W einen herausfordernden Einspielermodus und der Mehrspielermodus machte auch unglaublichen Spaß. Den dicken Reibach machten dennoch Titel wie Grand Theft Auto V und Call of Duty.
Eine kurze Erwähnung ist sicherlich auch The Legend of Zelda: The Wind Waker HD wert, das ebenfalls im Herbst kurz vor Super Mario 3D World erschien und sogar ein Konsolen-Bundle mit schickem Game Pad im Zelda-Design bot. Zwar handelt es sich hierbei nur um ein Remake, allerdings von einem der besten Zelda-Teile überhaupt.
Für die Casual-Freunde erschienen 2013 zudem Wii Fit U und Wii Sports Club. Bei Wii Sports Club stellte sich Nintendo womöglich selbst ein Bein mit dem unkonventionellen Bezahlsystem und dem dadurch verbundenen relativ hohen Kaufpreis, wenn man alle Disziplinen dauerhaft nutzen wollte. Wii Fit U hingegen konnte man als Besitzer des Vorgängers für 20€ inklusive des neuen Wii Fit Meters erwerben.
Man bekommt ein wenig den Eindruck, dass eine Nintendo-Konsole solange uninteressant ist, bis endlich ein wirklich neues Zelda erscheint, das wohl eine Art heiligen Gral im Nintendouniversum darstellt. Passenderweise erschien zum Launch der Wii Zelda: Twilight Princess und verhalf der Konsole zu einem Traumstart. Betrachtet man die Reaktionen auf Nintendos E3-Präsentation (in Form einer Nintendo Direct) von 2013, verstärkt sich dieser Eindruck. Von allen Seiten hörte man nur Forderungen nach einem neuen Zelda. Dass damals Super Mario 3D World, Mario Kart 8 und Donkey Kong County: Tropical Freeze präsentiert wurden, war da schon fast irrelevant.
Jetzt mag man auch heute, Anfang 2014 noch argumentieren können, dass die Wii U nicht über ausreichend viele herausragende Titel verfügt, dennoch gibt es genügend Spiele, die nicht nur ganz hervorragend sind, sondern auch einen echten Kaufgrund für die Wii U darstellen (zumindest SM3W).
Wie eingangs erwähnt konnte die PS4 trotz einjährigem Rückstand die Wii U in Sachen Verkaufszahlen mittlerweile fast einholen. Worin liegt denn der Grund für den Erfolg der PS4? Außer einer starken Hardware hat die PS4 im Moment nicht mehr zu bieten als die Wii U. Die Multimedia-Funktionen sind noch stark eingeschränkt und auch die Spieleauswahl ist eher mau. Während bei der Wii U die geringe Spielauswahl als Grund für den mangelnden Erfolg gesehen wird, schafft es die PS4 trotz des selben Mangels erfolgreich zu sein.
Schaut man sich mal an, welche Spiele sich auf der PS4 am häufigsten verkauft haben, sieht man, dass es nahezu komplett Multiplattformtitel sind, die es so schon auf den Vorgängerkonsolen gab. Die Top 3 meistverkauften Spiele bilden Call of Duty: Ghosts, Fifa 14 und Battlefield 4. Scheinbar ist die PS4 eine 400€-CoD-Maschine.
Betrachtet man nun auf der anderen Seite die meistverkauften Spiele der Wii U, zeichnet sich ein gänzlich anderes Bild ab. Die Top 3 bilden New Super Mario Bros. U, Nintendoland und Super Mario 3D World. Auch finden sich Pikmin 3 und Monster Hunter 3 Ultimate in den Top 10. Ob die Top 10 der Wii U vielfältiger sind, darüber kann man sich sicherlich streiten. Dass deutlich mehr eigenständige Titel in den Top 10 vertreten sind, ist jedoch zweifelsfrei ersichtlich.
Wirft man einen Blick auf die Softwarezahlen der X-Box One, so sitzt auch hier Call of Duty: Ghosts auf dem ersten Platz. Dieses Spiel ist sowohl auf der Wii U erschienen, als auch auf den Vorgängerkonsolen PS3 und X-Box 360. Scheinbar haben viele Kunden auf eine X-Box One bzw. PS4 aufgerüstet, um die selben Spiele spielen zu können, die sie bereits mit ihrer alten Konsole hätten spielen können. Das Argument der mangelnden Software für die Wii U zieht nicht, da Blockbuster wie Assassin’s Creed etc. auch für die Wii U erschienen sind.
Umso interessanter ist die Tatsache, dass viele Kunden lieber eine teurere Konsole kaufen, die eine limitiertere Spieleauswahl bietet, als sich für eine Wii U zu entscheiden, die mittlerweile günstig zu haben ist und einige wirklich kreative Titel bietet. Fast symptomatisch ist es, dass ein dermaßen großartiger Titel wie Super Mario 3D World quasi keinerlei Erwähnung findet und stattdessen GTAV und Call of Duty: Ghosts das Thema in der Gaming-Industrie und einschlägigen Gaming-Foren sind. Die Videospieleindustrie und seine Kundschaft sind scheinbar schwer beschränkt. Und dabei stecken wir in einem Teufelskreis. Natürlich ist es für die Industrie lukrativer den x-ten Teil eines generischen Shooters jährlich pünktlich zum Weihnachtsgeschäft auf den Markt zu bringen, bloß nicht mit zu vielen Neuerungen oder zu viel Anspruch, denn das könnte potentielle Kunden schon wieder vergraulen. Und andererseits hat der Kunde kaum eine andere Wahl als immer den selben Mist zu spielen, da auch die Berichterstattung sich vor allem auf diese Spiele konzentriert. Und so ergibt sich eine Situation, wo der Kunde nur noch bereits gewohntes in neuem Gewand möchte und die Industrie ihm dies brav liefert. Und so muss man heute schon auf den sogenannten Indie-Markt schauen, wenn man wirklich kreative Titel suchen möchte. Ironischerweise sind die heutigen Indie-Spiele nicht sonderlich unterschiedlich zu den Spielen, die vor 15-20 Jahren noch der Standard waren.
Zu Zeiten des SNES zählte noch Kreativität. Neue Spielideen fanden Anklang. Selbst kurioseste Produkte wie Mario Paint für das SNES, das heutzutage als Casualmüll abgeschrieben worden wäre, erfreuten sich größter Beliebtheit. Wenn du als Leser dich an diese Zeit nicht erinnern kannst, bist du leider wohl selber Teil des oben beschriebenen Problems.
Die gesamte Videospieleindustrie hat sich auf die paar wenigen Cash Cows konzentriert: Kriegsshooter mit hohem Fokus auf den Multiplayermodus, jährlich erscheinende Sportspiele und die paar lukrativen IPs wie Assassin’s Creed, die auch mit einem jährlichen Titel bedient werden.
Nintendo als traditionsreichstes Spieleunternehmen, dessen Wurzeln am weitesten zurück reichen, hat nun am meisten mit diesen Auswirkungen zu kämpfen. Microsoft als Hauptverantwortlicher für diesen Trend ist gleichzeitig der größte Nutznießer und konnte sich nach dem eher mäßigen Erfolg der ersten X-Box mittlerweile erfolgreich auf dem Markt etablieren. Und selbst Sony hat den aktuellen Trend längst adaptiert, was man auch an den eigenen First-Party-Titeln sieht. So wird mit Killzone: Shadow Fall ein Shooter ins Launch-Line-Up aufgenommen, da man dies wohl am verkaufsförderndsten sah. Und symptomatisch hat sich das Portfolio von Naughty Dog von Titeln wie Crash Bandicoot hin zu Uncharted und The Last of Us gewandelt. Nintendo hingegen ist sehr konservativ geblieben und macht vieles ähnlich wie noch vor 20 Jahren. Zwar sind einige Spieleserien wie z.B. F-Zero in der Versenkung verschwunden, aber die wichtigen Titel sind nach wie vor vertreten und jedes Mal mit extrem hoher Qualität. Lediglich die Zielgruppe hat sich verändert. Mario ist heute genauso wie damals ein erstklassiger Garant für unglaublich viel Spielspaß, doch während vor 20 Jahren ein Super Mario World auf dem SNES Freudenstürme ausgelöst hat, bleibt die Reaktion auf ein Super Mario 3D World auf der Wii U eher ein verhaltenes „meh“.
Einen Großteil der Gamer dürfte das wenig kümmern, sind sie doch glücklich, wenn sie jedes Jahr mit einem neuen Call of Duty beglückt werden und die Zeit zum nächsten Teil mit dem ein oder anderen DLC überbrücken können. Auch viele ältere Gamer, die noch mit Sega oder Nintendo groß geworden sind, dürfte das eher nicht interessieren, da sie lieber auf ihren alten Konsolen oder Emulatoren ihre Kindheit erneut aufleben lassen. Auf der Strecke bleiben die Gamer, die in den Achtzigern, Neunzigern und frühen 2000ern aufgewachsen sind und dennoch gerne neue, moderne Spiele spielen mit einer ähnlichen Vielfalt wie damals. Da diese Gruppe immer verschwindend kleiner wird, wird auch der Markt für solche Titel immer unattraktiver und die Investitionsbereitschaft für hochwertig produzierte Titel jenseits der Cash-Cow-Franchises immer geringer.
Und so verkommt das schöne Hobby Videospiele immer mehr zu einer Industrie mit eiskaltem Kalkül, in der Entscheidungen von Managern auf Basis von Wirtschaftsdaten anstatt von kreativen Köpfen getroffen werden. Zu Zeiten, in denen ernsthaft darüber diskutiert wird, Videospiele als Kunstform anzuerkennen, ist dies sicherlich ein falscher Ansatz, denn statt Kunst sind die meisten erfolgreichen Videospiele der heutigen Zeit vor allem Produkte. Letztendlich ist auch vor allem eine Amerikanisierung der Videospieleindustrie zu erkennen, die eine Art Generationenkonflikt aufwirft. Je nachdem, wann man geboren wurde, hat man unterschiedliche Gaming-Vorlieben. Die Zielgruppe, die allerdings in den Achtzigern geboren wurde, hat mittlerweile ein Alter erreicht, wo sie nicht mehr die nötige Zeit haben, um sie in ihr Hobby Videospiele zu investieren. Die Hauptzielgruppe der Teenager ist vor allem mit den letzten beiden Generationen der Konsolen ans Gaming herangeführt worden, als dieser Trend längst eingeläutet war.