Das vertraute Gefühl sich annähernder Gefahr riss Blaine aus seinem relativ leichten Schlaf. Noch ehe die erste Berührung erfolgte, war er augenblicklich hellwach und innerlich in Alarmbereitschaft. Doch trotz seiner guten Reflexe waren die Bewegungen des Unbekannten schneller. Innerhalb eines zügigen Moments drückte Gewicht schwer auf seinen Bauch und eine kühle Hand packte seinen linken Arm, während sich in den anderen irgendetwas spitzes, vermutlich ein Ellbogen, bohrte. Mitten in den Muskel. Eine stechende Schmerzeswelle breitete sich jäh in dem betroffenen Gliedmaß aus, was bei dem Jugendlichen jedoch nur ein äußerst genervtes Grummeln auslöste. Wut über die Störung keimte in ihm auf und seine eisblauen Augen funkelten angriffslustig, als er die Lider aufschlug.
Wenige Zentimeter über ihm ruhte ein blasses Gesicht, dessen bernsteinfarbene Iriden unverhohlenen Argwohn ausstrahlten. Dass einzelne Strähnen dabei in seinem Blickfeld hingen, schien das offenbar weibliche Individuum keineswegs zu stören. Stattdessen wurde er mit der Frage, wer er sei und was er hier mache, konfrontiert. Der forsche Tonfall der Worte prallte schlichtweg an ihm ab. Seine Mimik blieb ausdruckslos und auch der scharfe Druck der Klinge an seinem Hals, der er sich nur allzu bewusst war, schaffte es nicht, diese Gleichgültigkeit zu erschüttern. Er lag einfach nur da. Starrte das Mädchen stumm mit einem unterdrückten, aggressiven Glimmen an.
So verstrichen einige Sekunden in Stille, ehe Blaine schließlich den rechten Arm zu heben begann, vollkommen ungeachtet der stärker werdenden Schmerzen. Er griff nach der Hand, die das Messer umschloss und drückte langsam aber bestimmt dagegen. Zugegebenermaßen hatte ihr plötzliches Auftauchen ihn ein wenig überrascht, ebenso ihr drohendes Verhalten. Allerdings hatte er sich schon in weit aus gefährlicheren Situationen befunden, als dass er im Moment wirkliche Unruhe, geschweige denn Angst verspürte. Viel eher spielte diese Person gerade mit dem Feuer, indem sie seine müden Nerven reizte.
"Es ist rüde, Leute einfach so im Schlaf zu überfallen, weißt du das? Und schon gar nicht spielt man mit Waffen vor deren Nase rum, Kleine.." Seine Stimme klang rau, der Unterton war warnend. Der Druck gegen ihre Hand erhöhte sich etwas. Ihre Fragen hatte er absichtlich übergangen.
Roe erwiderte den stechenden Blick ohne eine Reaktion und ließ den Jungen auch erst gewähren, als er Widerstand leistete. Nachdem er sich aber darüber beschwerte, wie unhöflich es doch sei, jemanden beim schlafen zu stören und sie überdies auch noch Kleine nannte, da wuchs ihr Argwohn noch sehr viel mehr. Erst drang er hier ein, dann beschädigte er beinahe ihr kostbares Messer und jetzt erdreistete er sich auch noch, sie nicht ernst zu nehmen.
Um die Gefahr deutlich zu machen, die von ihr ausging, übte sie noch etwas mehr Druck auf seinen rechten Arm aus, und drückte das Messer auch wieder näher an seine Kehle. Er war nicht gerade das, was man schwach nannte, sie aber auch nicht.
"Es ist rüde, in anderer Leut Zimmer einzudringen und sich in einem bereits reservierten Bett zur Ruhe zu legen", raunte sie mit halb zusammengekniffenen Augen. Sie versuchte sich an allerlei Ausdrücke zu erinnern, die sie aus Büchern hatte, wusste aber nicht, wie antiquiert sie eigentlich klang. Roe hatte die klassische Sprache immer als höchst elegant angesehen und sie gerne gelesen. Sie hatten etwas an sich... Diese Wörter klangen bei weitem nicht so plump wie ihre Muttersprache. In ihren Büchern verwendeten nur hochrangige Charaktere diese Sprache. Sie fühlte sich immer so wichtig, so mächtig wenn sie sie verwendete, auch wenn es sie einiges an Überlegungen kostete.
"Mitnichten spiele ich. Und wage er sich noch einmal, mich als Kleine zu schimpfen, so werden die Konsequenzen grande sein."
Ein abfälliges Schnauben erklang, ehe seine Mundwinkel sich zu einem spöttischen Lächeln verzogen. Es fiel ihm schwer, nicht sofort in Gelächter auszubrechen. "Sag mal, Kleine, lebst du zwischen Bücherregalen oder warum redest du so geschwollen daher?", erkundigte er sich amüsiert. Er hatte ja schon einiges erlebt, aber sowas... Wenn sich jemand auf diese Art verständigte, während er gleichzeitig mit einer Waffe Drohungen aussandte, nahm er sich selbst die Chance, von anderen tatsächlich ernst genommen zu werden. Eine solche Erkenntnis schien dem Mädchen allerdings irgendwie zu fehlen.
Dass der Druck sowohl am Arm als auch an seinem Hals zugenommen hatte, störte ihn kein bisschen. Hätte dieses weibliche Individuum wirklich die Absicht, ihn auf irgendeine Weise zu verletzen, wäre sie schon längst zur Tat geschritten. Sie versuchte wohl, sich selbst als äußerst gefährlich darzustellen oder weshalb auch immer sie hier mit einem Messer herumspielte. Pech nur für sie, dass Blaine sie nicht als solches Wesen einstufte.
"So, so. Das ist also dein Zimmer? Ziemlich kühl hast du's hier~ Und wenn ich ehrlich bin, juckt es mich nicht im Geringsten, ob dich meine Anwesenheit stört. Im Übrigen wäre es ganz nett, Kleine, wenn du deinen schmalen Hintern langsam mal von mir runter schleppst und aufhörst meinen Hals zu pieksen. Das nervt extrem..." Den letzten beiden Worten mischte sich ein knurrender Unterton bei und der Druck gegen die Hand des Mädchens steigerte sich erheblich. "Du bist ohnehin Jahre zu früh dran, um für mich eine ernsthafte Bedrohung zu sein",setzte er leise gezischt, mehr zu sich selbst als zu ihr, hinterher.
Roe zuckte etwas zurück, als sich der Junge über sie lustig machte. Offenbar verstand er die Schönheit dieser gehobenen Sprache nicht, was ihm wieder ein paar Minuspunkte einbrachte. Mit seinen Worten bezüglich ihres Hinterns und auch die maßlose Unterschätzung hinsichtlich ihrer Fähigkeiten brachten sie dazu, ärgerlich zu fauchen. Der Druck auf ihre Hand mit dem Messer wurde stärker, und auch sie hätte eigentlich noch an Kraft zulegen können, aber sie hatte bisher nicht beabsichtigt, ihn zu verletzen. Für die Unverschämtheit allerdings hatte er sich das deutlich verdient.
Aurore hob den Arm mit dem Messer und schlug blitzschnell zu. Sie versenkte das Messer keinen Zentimeter neben dem Gesicht des Jungens ins Bett (sie würde ab sofort sowieso das andere nehmen, jetzt da ihres von diesem Kerl beschmutzt worden war), wobei die breitere Oberseite einen kleinen Schnitt in seiner Wange erschuf. Blut quoll augenblicklich hervor, Roe Augen glänzten und sie unterdrückte ein zufriedenes Grinsen. Dann sprang sie von ihm herunter, nahm sich die Bettdecke und wischte ihr Messer daran ab.
"Die Kleine hat mehr Leben ausgelöscht als du's dir vorstelln' kannst." Sie hob die Klinge und betrachtete sie gar zärtlich, steckte sie dann zurück in die Felltasche. Mit einem kurzen Blick auf das Thermometer an der Wand stellte sie sich auf den Stuhl, der neben dem Eingang stand und drehte da an dem Rad der Klimaanlage. Nachdem sie wieder herunter gestiegen war, schloss Aurore mit einem kurzen Blick heraus die Türe. Eine der Regeln war es, anderer Mitglieder nicht zu bekämpfen und keine Waffen zu verwenden, allerdings war das hier eine dringende Ausnahme. Trotzdem, Alicia musste es ja nicht erfahren.
"Hast die Frage nicht beantwortet", wandte sie sich wieder an den Jungen. Noch eher er antworten konnte, streifte sie das Shirt ab und verschwand ins Badezimmer, um sich dort die Haare zu bürsten. Zwar waren sie mittlerweile wieder trocken, aber eben ziemlich unordentlich. Mit dem großen, klobigen Ding in der Hand kam sie wieder ins Zimmer und sah ihn abwartend an. "Name?"
Als das Mädchen jäh den Arm hob und das Messer haarscharf an seiner Wange vorbeischnellen ließ, erstarb das Grinsen des Weißhaarigen ebenso schnell wie es erschienen war. Ein breites Rinnsal Blut ergoß sich augenblicklich warm über seine blasse Haut. Die Gleichgültigkeit in seiner Mimik war offener Angriffslust gewichen. Die kaum sichtbaren Anstalten eines zufriedenen Feixens entgingen seinen scharfen Augen keineswegs, ebenso wenig wie der Glanz in ihren Iriden. Dass sie die Klinge abwischte und dabei kleine rote Schlieren auf der Bettdecke hinterließ, ignorierte er vollkommen. Sie hatte ja zu verstehen gegeben, dass das hier ihr Bett war, oder?
Während der weibliche Giftzwerg also für kurze Zeit im Bad verschwand, rang Blaine sich trotz seiner verdorbenen Laune zu der netten Geste durch, ihren Schlafplatz freizugeben.Widerwillig erhob er sich und schlenderte zum zweiten Bett, das wohl mit etwas Pech seines sein würde, bis er wieder von dannen zog. Mit einem genervten Seufzer ließ er sich auf die Matratze fallen, wo er erneut ein Taschenmesser hervorholte - diesmal eines, das bereits länger in seinem Besitz war. Die Schneide war im Gegensatz zu dem alten Ding, mit dem er gestern gespielt hatte, noch bestens in Schuss und das Gehäuse absolut kratzerfrei.
Müde ließ er es aufschnappen. Die Aussicht, sich möglicherweise das Zimmer über einen unbekannten Zeitraum hinweg mit diesem Weibsbild teilen zu müssen, schreckte ihn ab. Wenn sie auf all ihre Mitbewohner mit dem Messer losging so wie auf ihn, dann war es wirklich kein Wunder, dass sie allein blieb.
"Arrogantes Gör.."
Inzwischen war die Kleine wieder zurückgekehrt und starrte ihn gerade mit wartendem Blick an. "Name?", fragte sie in schnippischem Ton.
Blaine erwiderte ihren Blick nur. Sollte er ihr antworten? Wie würde sie reagieren, wenn er sie einfach ignorierte? Abermals zur Waffe greifen? Er ließ einige Sekunden verstreichen, ehe er schließlich doch zu sprechen begann:"Die Kleine hat also mehr Leben ausgelöscht, als ich es mir vorstellen könnte, ja?" Er hob fragend eine Augenbraue, in seiner Stimme schwang der Hauch eines amüsierten Tonfalls mit. "Waren es denn auch..." Er hielt kurz inne und schaute sie an. Ein undefinierbares Lächeln trat auf seine Lippen, als er in einer pfeilschnellen Bewegung den Arm hob und die Reaktion des Mädchens von eben imitierte. Das Taschenmesser flog ganz knapp an ihrem Kopf vorbei und verkeilte sich im Holz der Tür. "...menschliche Leben?", beendete er den Satz. Er würde sich jetzt auch ein wenig Spaß gönnen - wie sie zuvor.
Langsam wurde es selbst der Eisprinzessin zu bunt. Sie merkte, wie Wut in ihrem Magen brodelte. Ihre Eltern hatten Recht gehabt. Andere Menschen waren es nicht wert, sie kennen zu lernen. Immer wenn sie in die Stadt gefahren war, hatten sie sie angesehen... Ihre Blicke streiften über sie, manchmal drohend, manchmal, als wollte sie sie von ihren Eltern wegreißen und mitnehmen. Jeder der Blicke hatte ihr damals einen Schauer über den Rücken gejagt, und sie dazu gebracht, sich zu verstecken.
Dieser Typ da vorne, der scheinbar noch weniger von Manieren verstand als Aurore, machte sie einfach wütend. Sie so hoffnungslos zu unterschätzen... Natürlich, Roe war bei weitem nicht so kräftig gebaut wie Bruno und auch sein lautes Organ besaß sie nicht (was sie nebenbei auch nicht wollte), aber sie als kleines hilfloses Mädchen abzutun, gefiel ihr gar nicht. Dass ihm sein Lächeln verging, als sie ihn angriff, schon viel eher. Allerdings wusste sie gleich darauf, dass es keine gute Idee gewesen war. Sie würden miteinander auskommen müssen, ob Zimmerpartner oder nicht, und eigentlich war es ja auch gar nicht ihre Art, sich unnötig provozieren zu lassen. Aber dieser Kerl... Seine ganze, arrogante Art nervte sie fürchterlich.
So hatte sie die Retourkutsche von ihm auch erwartet, konnte aber nicht vermeiden, dass sie zusammenzuckte, als das Messer neben ihr einschlug. Sie starrte es an, wie es in der Wand steckte, zog es heraus und sah es sich an. Ein ordinäres Taschenmesser, definitiv nicht halb so viel Wert wie ihr silbernes, nicht mal verziert.
"Nein, kein menschliches", antwortete sie betont ruhig. Es war nicht ihre Art, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Ausgewachsene Eisbären waren definitiv bedrohlicher als ihr neuer Zimmernachbar, auch wenn der absolut skrupellos schien. Also war er schon irgendwie mit einem der weißen Bären vergleichbar. Bei keinem von beiden durfte man auch nur den geringsten Funken Angst zeigen. "Ich habe Leben genommen, die weit aus gefährlicher waren als Menschen. Kannst dich ja selber mal an einem Eisbären versuchen, will schauen ob du überlebst. Und runter von diesem Bett. Habe entschlossen, dir meines zu geben, so freundlich wie ich bin. Scheinst es ja zu mögen."
Sie ging zu ihrem Nachtisch und begann, ihren Kram (Bücher, Bürste, Schmuck und einen Beutel voll mit Süßem) auf das Bett zu werfen, auf dem sich der Kerl breit gemacht hatte. sein Taschenmesser warf sie ihm im geschlossenen Zustand ebenfalls hinterher. Danach sah sie ihn einfach nur ausdruckslos an. Auf seinen Namen pochte sie schon gar nicht mehr.
Geschickt fing Blaine das geworfene Taschenmesser auf und ließ es kurzerhand wieder in der Hosentasche verschwinden. Die Kleine begann gerade damit, Gegenstände achtlos auf seine Matratze zu katapultieren, während sie verkündete, dass er von nun an ihr Bett haben durfte. In Anbetracht der Tatsache, dass auf dessen Decke verwischte Blutspritzer prangten, löste diese ach so freundliche Geste äußerstes Missfallen in ihm aus. Zwar störte er sich an etwas Rot nicht, allerdings war bei der Rumstecherei auch das Kissen beschädigt worden. Da er im Moment jedoch keine Lust auf weitere Streitereien, insbesondere nonverbaler Art verspürte, nahm er es vorerst hin. Die entsprechenden Maßnahmen würden später getroffen.
"Nein, danke, kein Bedürfnis danach. Ich jage nicht und greife niemanden grundlos an~ Außerdem würde mich absolut nichts auf dieser gottverfluchten Welt nach Fortland kriegen", erklärte er deutlich gelangweilt, ohne irgendwelche Anstalten zu machen aufzustehen. Erst nachdem einige Sekunden der Stille verstrichen waren, fiel ihm auf, dass er soeben in einem leicht angeschlagenen Plauderton gesprochen hatte. Ein Faktum, das ihm vollkommen fremd und irritierend erschien. Sonst mied er doch jeglichen Kontakt und beschränkte sich stets nur auf das Allernötigste, wobei sein Tonfall eigentlich nie den gereizten Klang verlor...
Mit einem energischen Kopfschütteln verdrängte er die Gedanken, ehe er sich ruckartig von seinem Schlafplatz erhob. Das war sicherlich nur Einbildung gewesen. Die Hitze draußen hatte ihm einfach zu sehr auf die restlichen Kraftreserven geschlagen. Und dank dem Giftzwerg hatte er ebenso keine wirkliche Gelegenheit gehabt, sich wenigstens halbwegs zu erholen. Das war alles.
Aus einem spontanen Impuls heraus setzte er sich in Bewegung. "Ich geh' duschen", informierte er das Mädchen knapp. "Übrigens bevor du mich weiter nervst mit deinen ewigen Fragereien: Blaine." Ein dumpfer Knall ertönte, als die Tür ins Schloss fiel. Zielstrebig wanderte der Jugendliche nun durch den Gang, auf der Suche nach den Duschen. Sein Kopf dröhnte unbarmherzig, wollten die Verwirrung stiftenden Gegebenheiten der vergangenen Stunden ihm doch keine Minute Ruhe lassen.
Das eben war nichts als reine Einbildung gewesen! Er würde sich nie so arglos verhalten! Niemals! ...Oder?
Roe sah noch eine Weile zur Tür, auch nachdem diese von ihrem neuen Zimmergenossen zugeknallt worden war.
Was war mit diesem Typen nur los?
"Außerdem würde mich absolut nichts auf dieser gottverfluchten Welt nach Fortland kriegen", äffte sie ihn leise nach. "Ich habe es mir auch nicht ausgesucht." Ja, sie hatte es sich nicht ausgesucht, und wenn sie es hätte können, dann wäre sie an einem schöneren Ort geboren worden. An einem schöneren Ort und später. Sie beugte den Kopf nach unten und strich über die violette Schneeflocke um ihren Bauchnabel herum. Dieses blöde Zeichen war an allem schuld. Hätte sie das nicht bekommen... Wer wusste das schon? Vielleicht würde sie ja zur Schule gehen und munter mit Freundinnen plaudern... Jedenfalls hätte sie nicht gute zehn Jahre damit zugebracht, kleine Robben zu schießen.
Sie sah zum Kissen, aus dem der Inhalt hervorquoll, und griff dann in den Schrank zu Nähgarn und Nadel. Sie mussten sich ihre Kleidung in Fortland immer selber herstellen, wobei Roe niemals das nötige Feine Geschick besessen hatte, wie ihre Mutter und Schwestern. Sie war immer jagen gegangen, hatte im Grunde die Position des Sohnes übernommen. Aber zumindest ein bisschen konnte sie noch. Aurore setzte sich als auf das Bett, auf dem Blaine gesessen hatte, bevor er so plötzlich gegangen war, und machte sich daran, mit einigen ungeschickten Handgriffen, der Schlitz zu vernähen. Als es einigermaßen hielt, warf sie es zurück und machte sich dann daran, die Decke zu reinigen. Sie wusste nicht warum. Auch wenn er ein-pardon- Kotzbrocken mit hoffnungsloser Selbstüberschätzung war, sie hätte ihn nicht angreifen dürfen. Vermutlich gehörte er ebenfalls zu der Gruppe von Artemis und Hong. Roe hatte einige Gerüchte gehört, nichts bestätigtes, aber wenn das, was man sich erzählte wirklich stimmte, dann musste die Offenbarung auch für ihn nicht ohne gewesen sein.
Sie saßen alle im selben Boot. Für großartig Zoff war da kein Platz. Nur fiel ihr das eben jetzt erst auf, wo sie sich die Situation noch einmal ganz genau vor Auge rufen konnte.
Warmes Wasser perlte an der Decke ab, und als sie das Blut abzureiben versuchte, ging das recht gut. Es war noch nicht richtig eingetrocknet, und auch nicht viel. Als nur noch eine leichte rosafarbene Färbung übrig war, legte sie das Laken zum trocken über die Heizung im Bad, die sie eh nie benutzte.
Apropos Hong. Da war ja was.
Mit neuer Neugierde stürzte sie aus dem kleinen Bad heraus zum Bücherregal, das über und über mit Büchern vorgestopft war. Einige davon in der Sprache Amruos, einige auch in ihrer Muttersprache. Das Buch, was sie suchte, war das älteste unter allen. Der Einband war schon etwas abgegriffen, und auch die Seiten geknickt. Ein paar Flecken hatten sich ebenfalls schon darin verirrt. Roe warf sich aufs Bett, kramte beim Lesen in der Süßigkeiten Tüte und steckte sich ab und an etwas daraus in den Mund, der die Worte, die sie las, nachformte. Wie groß die Welt nur war...
Aurore merkte gar nicht, wie müde sie eigentlich war. Irgendwann sank ihr Kinn auf die Bettdecke, und die Augen offen zu halten war sehr viel schwerer als angenommen. Erst als das Buch mit einem Finger darin zusammenklappte und die goldenen Iriden verschlossen waren, gab sie den Kampf gegen die Müdigkeit auf.
OT: So, endlich kommt jetzt auch Fatalis und mein Beitrag. Das hier ist der erste Teil, Fatalis' postet dann den zweiten.