Muss sagen, dass ich das Streikrecht generell für sinnvoll erachte, allerdings nicht bei der Bahn, und zwar aus dem Grund, dass es die Kunden sehr viel härter trifft als den Arbeitgeber, einfach weil zwei wichtige Faktoren gegeben sind.
1) Viele Menschen sind auf die Dienstleistung angewiesen. Die einzige zuverlässige und zumutbare Möglichkeit, nicht auf die Dienstleistung angewiesen zu sein, ist es, regelmäßig Auto zu fahren. Im Angesicht der Klimakrise sehe ich es als absolut fatal an, wenn eine wirtschaftlich motivierte Aktion CO2-intensive Mobilitätswege attraktiver macht - und vice versa Menschen bestraft, die einen klimafreundlichen Lebenswandel anstreben.
2) Auch wenn das inzwischen etwas aufgelockert ist, hat die Bahn immer noch ein Quasi-Monopol. Insbesondere im Fernverkehr gibt es keine gleichwertigen Alternativen, im Nahverkehr gibt es üblicherweise innerhalb einer Region auch wenig Auswahl. Das unterscheidet den Personenverkehr von sämtlichen anderen Angeboten. Wenn Verkäufer im Supermarkt streiken, gehen die Kunden zu einem Konkurrenten. Selbst bei Paketboten (die nebenbei bemerkt zehnmal mehr Anlass zum streiken hätten als Lokführer) gibt es genug Alternativen, so dass der Schaden nicht komplett am Endkunden hängen bleibt.
Es gibt keinen anderen Bereich, auf den diese beiden Punkte zutreffen, der nicht entweder sowieso in öffentlicher Hand liegt oder die Kunden zumindest relativ gut von Auswirkungen bei Streiks abschirmt (z. B. Internet-Provider, wo ein Service mit wenig Personal aufrecht erhalten werden kann). Beim zweiten Punkt wäre vielleicht noch die Post zu nennen, aber ich behaupte mal dass der Service, Briefe zu verschicken, im Zeitalter des Internets nicht so essentiell ist wie Mobilität.
Damit sage ich nicht, dass Lokführer auf keinen Fall streiken dürfen, aber es darf halt nicht einfach als normales Streikrecht abgetan werden, weil durch besagte Faktoren ein Sonderfall vorliegt, der rechtlich und politisch auch als solcher betrachtet werden muss. Denn wie es aktuell abläuft, sind die größten Leidträger des Streiks wie gesagt nicht die DB-Manager, sondern die Fahrgäste. Andersrum sind die größten Profiteure auch keinesfalls die Lokführer, sondern Taxi-Unternehmen und die Automobilindustrie - und letzteres dürfte vermutlich auch der Grund sein, warum die schwarz geführte Regierung keinerlei Interesse hat, sich für eine schnelle Lösung einzusetzen.