Kaum zu glauben, dass ich auf 17 Seiten kein solches Topic gefunden habe (oder ich muss wieder zum Augenarzt xD).
Der Titel ist natürlich nicht ganz ernst zu nehmen.
Ihr kennt vielleicht verschiedenste Memes darüber wie unterschiedlich extro- und introvertierte Menschen unter der Quarantäne leiden und wie sehr so einige Extrovertierte noch mehr darunter leiden, speziell wenn sie in dieser Situation nun alleine wohnen.
Bevor wir zu der eigentlichen Begriffserklärung kommen und wie die Wissenschaft das Thema sieht, möchte ich über Vorurteile sprechen.
Vorurteile
Vorurteile über introvertierte Menschen, die ich über die Jahre hinweg gehört habe:
- Introvertierte Menschen mögen keinen Menschenkontakt, sind auch sehr schüchtern und reden kaum. Das ist das gängigste Vorurteil, da viele Menschen das Konzept von Extroversion und Introversion nicht verstehen.
Introvertierte haben also häufig nur eine Sozialphobie oder sind einfach nur antisozial. Hier schwingt entweder mit, dass introvierte Menschen automatisch auch sozial unfähig sein müssen oder dass sie den Kontakt zu anderen hassen, da sie immer nur für sich sein wollen.
- Introvertierte Menschen sind langweilig und man kann keinen Spaß mit ihnen haben, da sie ja weder Menschen treffen noch das Haus verlassen wollten. Sie können nicht locker sein und gehen an alles sehr ernst heran.
- Introvertierte Menschen sind intelligenter und tiefsinniger als extrovertierte Menschen, da sie sich mehr mit sich selbst, der Welt und wichtigen Themen und Fragen befassen.
- Introvertierte Menschen beschäftigen sich viel intensiver mit Unterhaltungsmedien und lesen häufiger.
- Introvertierte Menschen sind kreativer und künstlerischer.
- Introvertierte sind bessere Autor*innen. Also das habe ich einige Male von den besagten introvertierte Autor*innen selbst gelesen und well, wir lassen das einfach mal so stehen lol. (Ich denke, egal ob du intro- oder extrovertiert bist, gute Autor*innen brauchen neben viel Fantasie auch sehr viel Menschenkontakt, Lebenserfahrung und Empathie, nur das mal so nebenbei...)
- Introvertierte Menschen leiden viel häufiger an Depressionen und sind generell sehr pessimistisch.
- Introvertierte sind viel häufiger im autistischen Spektrum zu finden (entsteht aus dem Vorurteil nicht mit Menschen und sozialen Situationen umgehen zu können.)
Vorurteile über extrovertierte Menschen, die ich über die Jahre hinweg gehört habe:
- Extrovertierte Menschen sind weniger intelligent und oberflächlich und haben bloß ebenso oberflächliche Bekanntschaften und funktionieren allgemein "simpler". Sie machen sich weniger tiefere Gedanken um die Welt um sich herum und legen auch keinen Wert auf tiefergehende Beziehungen. Dafür schließen sie schnell Kontakte und können gut mit Menschen umgehen.
- Mit Extrovertierten kann man Spaß haben und erlebt immer etwas, da sie auf andere zugehen und unternehmungslustig sind. Dafür sind sie zu selten ernst und sehen das ganze Leben als Spiel.
- Auf extrovertierte Menschen ist im Allgemeinen kein Verlass. Extrovertierte Menschen werden aufgrunddessen auch schneller untreu und sind öfter promiskuitiv.
- Extrovertierte Menschen reden den ganzen Tag lang und können keine Sozialphobie oä haben. Dafür sagen sie wenig Sinnvolles, sondern führen sehr viel Smalltalk.
- Extrovertierte Menschen können aufgrund ihrer Lebenseinstellung nicht unter Depressionen leiden und sind generell viel optimistischer.
- Extrovertierte sind eigentlich nie im autistischen Spektrum zu finden (wieder: entsteht aus dem Vorurteil sehr gut mit Menschen und sozialen Situationen umgehen zu können.)
Die Realität und ein wissenschaftlicher Erklärungsansatz
Wenn das bloß Vorurteile sind, worum geht es also?
Eigentlich bezeichnen die Begriffe Intro- und Extraversion im Grunde bloß, ob man eher aus der Ruhe oder dem Kontakt mit anderen Menschen seine Energie zieht.
Demnach brauchen Introvertierte im Durchschnitt zwar durchaus mehr Zeit für sich als Extrovertierte, sind aber deswegen noch lange weder zwangsläufig soziophob oder übertrieben schüchtern noch hassen sie den Menschenkontakt.
Auch Extrovertierte sind nicht an sieben Tagen die Woche feiern, sondern brauchen ebenso etwas Zeit für sich. Sie ziehen ihre Energie bloß eher aus dem Kontakt mit anderen und der Interaktion mit der Außenwelt.
Wie kommen diese unterschiedlichen Temperamente also zustande? Ist das anerzogen?
Nein, zu großen Teilen wohl nicht.
Menschen besitzen eine durchschnittliche Erregbarkeit. Nein, nicht DIESE .
Hiermit ist die Erregbarkeit durch Sinneseindrücke und allgemein äußerer Eindrücke gemeint. Wir sind täglich tausenden Sinneseindrücken ausgesetzt und, einfach gesagt (ich will hier keine Romane schreiben), je nachdem wie die "neurologische Verschaltung" im Individiuum aussieht, werden diese Eindrücke unterschiedlich aufgenommen und verarbeitet.
Extrovertierte Menschen haben in Wahrheit, auch wenn das erstmal vielleicht ein wenig unlogisch klingen könnte, ein niedrigeres "Standard-Erregungslevel" und benötigen demnach mehr Anregungen von der Außenwelt, um durch diese Energie zu schöpfen.
Introvertierte Menschen nehmen die Anregungen der Außenwelt wohl intensiver auf, sind somit schneller überreizt und ziehen sich dann wieder für eine kleine Weile zurück. Ihr "Standard-Erregungslevel" ist an sich höher.
Stellt euch das Erregungslevel von extrovertierten und introvertierten Menschen vielleicht wie Fässer vor, die standardmäßig unterschiedlich befüllt sind.
In dem einen Fass des Extrovertierten steht das Wasser niedriger und du kannst es bis zum Rand hin länger auffüllen.
In dem Fass des Introvertierten steht das Wasser bereits höher und es ist somit auch schneller befüllt.
Die wenigsten Menschen sind eines dieser Extreme, sondern neigen in eine Richtung, jedoch in abgeschwächter Form. Auch Extrovertierte brauchen Me-Time und Ruhe, auch Introvertierte brauchen Freunde und Liebe und allgemeinen Menschenkontakt, da Menschen eben soziale Tiere sind.
Wenn ein Mensch beide Seiten zu etwa gleichen Teilen in sich vereint, nennt man das übrigens Ambiversion.
Diese mag zwar durchaus ihre "Vorteile" haben, aber ich persönlich, die sich für eine solche bishin zu eher extrovertiert hält, finde das unter Umständen auch anstrengend. Man will sich so gerne mit Menschen treffen, doch nach einiger Zeit (aka ein paar Stunden) will man dann doch bald wieder für sich alleine sein.
Zur Veranschaulichung lol
Beide Seiten haben also wenig damit zu tun wie sozial oder soziophob man ist oder wie tiefgründig oder oberflächlich ein Mensch ist. Diese Eigenschaften sind komplex und hängen von vielen anderen Faktoren eurer Persönlichkeit ab.
So haben sich doch so einige (eher) extrovertierte Menschen früher für introvertiert gehalten, da sie über das Thema bloß Vorurteile und ein falsches Konzept kannten und sich aufgrund äußerer Umstände (Familienprobleme, Mobbing etc.) mehr zurückgezogen hatten, als es heute der Fall sein könnte.
Mögliche Diskussionsansätze
- Was seid ihr? Eher oder sehr extrovertiert oder introvertiert oder eher Ambiverts?
Wieso denkt ihr das? Wie hat sich das geäußert?
Habt ihr jemals eure Ansicht darüber geändert?
Wie beeinflusst es euer Leben? Wie ergeht oder erging es euch in den letzten Wochen damit?
- Mit welchen Vorurteilen wurdet ihr konfrontiert?
Welche dieser Vorurteile kanntet ihr und glaubt sie selbst oder hattet ihr selbst geglaubt? Fallen euch noch welche ein?
- Wie (un)realistisch wirken so manche introvertierte und extrovertierte Charaktere in Medien auf euch? Welche Tropes oder Klischees gibt es, die euch immer wieder begegnen? Wie findet ihr diese?