Warum ich es speziell bei Dreadlocks schwierig finde, ist aber, dass die Bildung dieser Art von Dreadlocks wie es bei besagter Musikerin der Fall ist, ein rein natürlicher Prozess ist, der noch nicht mal ein aktives Eingreifen benötigt. Wenn man so will, haben schon die Menschen in der Steinzeit diese Dreadlocks getragen.
Hmm, das stimmt nicht so ganz. Also ja, man kann sich Locs züchten, indem man nicht kämmt, aber das ist häufig eben doch nicht ohne weiteres Eingreifen möglich - also zumindest das Aufrauen der Haare - weil gerade helles Haar gerne glatt bleibt. (Ich mein, ich habe während ich langes Haar hatte, also 2007-2012, keinen Kamm besessen und meine Haarpflege bestand daraus, einmal am Tag Wasser drüberlaufen zu lassen ... Und nein, ich hatte keinerlei Verfilzungen. Shampoo is a lie und so. Ich erinnere nur daran, wie ich dann mal wieder bei einem Friseur war und der Friseur: "Oh mein Gott! Sie haben so schönes Haar! Was machen sie damit?" Und ich nur so: "Nichts. Also wirklich. Nichts.") Allerdings waren Kämme von allem was wir wissen übrigens auch eine der ersten Sachen, die Menschen erfunden haben. ;) Die meisten Leute, die heute Dreads haben, lassen zumindest ihre Haare anrauen - oder tun das selbst.
Und die Sache ist halt ... Ja, dieser Tweet, den ich gestern gesehen habe, drückt es sehr gut aus.
Locs sind bei weißen nicht komplett zufällig auf einmal modern geworden. Es war explizit eine Sache, die sich dann in der Hippie-Kultur in Referenz zu Rastafari entwickelt hat. Und entsprechend ist es eben auch eine wichtige Sache für viele Schwarze Menschen, diesen Hairstyle zu reclaimen und mit ihrer Geschichte in Verhältnis zu setzen.
Denn wo hört hier kulturelle Aneignung objektiv auf, vor allem hier im Forum, deren user sich teilweise stark mit der Animekultur identifizieren, Animebilder nutzen und Cosplay betreiben?
Anime ist eben etwas sehr anderes, als wirklich traditionelle Anteile einer Kultur. Anime ist pure Popkultur, selbst wenn sie natürlich von traditioneller Kultur beeinflusst werden. Letzten Endes ist Anime etwas, das Japan aktiv an den Westen verkauft - deswegen ist das weniger problematisch. (Selbst wenn es mir dennoch sehr große Bauchschmerzen macht, wenn weiße Leute dann sehr traditionelle Kleidung/Aufmachungen im Cosplay trägt ... Gilt übrigens nicht nur für Anime-Cosplay, sondern auch für Cosplay zu Spielen und so. Nicht zuletzte weil einige Cosplays eben dann auch rasch ins Blackfacing/Brownfacing/Yellowfacing übergehen ...)
Das war ein Fehler meinerseits bezüglich der Herkunft der Rübe, wir bauen aber auch Mais an, oder nicht?
Ja. Wie gesagt: Letzten Endes ist das übernehmen von Früchten als solchen nicht das große Problem. (Übrigens: Das große Beispiel wären Kartoffeln. Kartoffeln kommen aus Amerika und wir Deutschen haben sie uns so einverleibt, dass sie als "traditionell deutsch" gelten.) Problematisch wird vor allem das Aneignen von komplexen Gerichten.
Was allerdings nicht heißt, dass wir nicht mehr Awareness darüber schaffen sollten, woher diese Pflanzen kommen - und wie sie ursprünglich angebaut wurden. (Stichwort: Drei Schwestern.)
Dass das frustrierend sein kann verstehe ich, aber mir wir übel davon, dass man mir so ne Perspektive zutraut.
Ich sprach nicht von Alltagskleidung, auch nicht von irgendwelchen Veranstaltungen sondern ganz klar von Sommerfesten ect. dem Equivalent von Volksfesten mit Dirndl.
Nicht jeder trägt einen Yutaka aber die Meisten.Wenn man auf ein traditionelles Fest gehen würde, könnte man das Argument machen, dass man sich der Kultur anpasst und mitläuft.
Nein, das stimmt einfach nicht. Du bist nicht richtig informiert. Du solltest du darüber nachdenken, a) was etwaige Google Image Bilder darstellen und b) wer sie mit welchem Ziel aufgenommen hat.
Erst einmal: Ich war nicht auf einem Festival. Ich war auf einem Markt. Also ein traditioneller Wochenmarkt. Tatsächlich haben da ein paar von den Verkäufer'innen traditionelle Kleidung getragen, aber nur ein geringer Anteil der Besucher*innen.
Allerdings sind auch bei Matsuris nur ein kleiner Anteil der Besucher*innen traditionell bekleidet. Die meisten davon sind junge Menschen, vor allem junge Frauen, die das halt wegen der Mode machen - und ganz alte Menschen, die eben noch zu einer Zeit aufgewachsen sind, in der traditionelle Kleidung noch eher in den Alltag gehörte.
So, hier ist das Ding: Besucher*innen. Anders sieht es mit Aussteller*innen aus und jenen Menschen, die an den Paraden teilnehmen oder Vortanzen (das speziell bei den Obon Festivals). Diese tragen natürlich traditionelle Kleidung - weil sie eben speziell Teil der Tradition sind.
Und hier ist die Sache: Wenn du Fotos von Matsuris findest, dann sind diese meistens von den Paraden oder Tänzen, eventuell noch von Aussteller*innen. Nicht aber von den normalen Besucher*innen der Veranstaltung. Das liegt zum einen daran, dass halt natürlich die Parden und Tänze ein viel größerer Hingucker sind (unter anderem auch wegen der Traditionellen Kleidung), zum anderen daran, dass viele Fotos, die du so auf Google findest, wenn du englische Suchbegriffe eingibst, von Leuten aufgenommen wurden, die als Touristen oder Außenstehende da waren und eben die "Andersartigkeit" darstellen wollten. (Was übrigens noch einmal ein ganz anderes Fass ist.)
Und eigentlich ist das Oktoberfest ein gutes Beispiel. Denn wenn du "Oktoberfest" in die Suchmaske bei Google eingibst, kannst du rasch den Eindruck bekommen, dass die meisten Leute auf dem Oktoberfest Dirndl und Lederhosen tragen. In der Realität sind das allerdings nur sehr, sehr wenige der Besucher*innen. Die meisten sind in Alltagskleidung da.
Oder anderes Beispiel: Gib "Mittelaltermarkt" in die Suchmaske ein. Während die deutsche Mittelalterszene international gesehen schon wirklich sehr "into it" ist, also tatsächlich viele Leute Gewandung tragen ... Sind diese "viele Leute" auch nicht mehr als 20-40% der Besucher*innen - größtenteils abhängig davon, welcher Markt es ist und wie "touristig" der ist.
Kaligraphie ist wie gesagt eine Kunstform.
Ja, aber die meisten Leute, die sich so ein Tattoo stechen lassen, tun es eben nicht aus dem Grund, dass sie die Kunstform praktizieren oder auch nur als solche Wertschätzen, sondern weil diese Schriftzeichen halt exotisch und "cool" sind. Was man eben an den von Bastet genannten Beispielen merkt, dass sich viele nicht einmal genug damit auseinandergesetzt haben, dass sie bewusste Entscheidungen über die Zeichen getroffen haben. Meistens stammen die aus irgendeinem Katalog ohne jedwedes Wissen über das Schriftsystem oder die Kultur, aus der es kommt.
So wenn ich Ramen koche ists ok, obwohl ich von etwas provitiere was nicht meiner Kultur entspricht.
Wieso profitierst du davon? Wenn du für dich Ramen kochst, dann profitierst du nicht, außer du siehst "ein gutes Essen haben" als Profit. Allerallerhöchstens "profitierst du" von der Anerkennung deiner Freund*innen, wenn du für sie kochst, oder von ein paar Likes auf Instagram, wenn du ein Foodstagrammer bist.
Anders ist es eben, wenn du einen Ramenladen eröffnest und Geld damit verdienst, also richtigen Profit machst. Oder ein Rezeptbuch herausgibst über die "25 besten asiatischen Rezepte" (und dann am besten noch auf Social Media Leuten aus der Kultur whitesplainst, dass sie ihre traditionellen gerichte falsch kochen würden .........)
Aber wenn ich nen Yutaka trage, dann mach ich doch das Selbe? Da er wahrscheinlich gekauft ist, vermutlich sogar mit Profit seitens Japan.
Sehr wahrscheinlich nicht. Die wenigsten Leute, die hier so in Deutschland dann mit einem Yukata durch Düsseldorf schwadronieren tragen diesen richtig oder haben, for that matter, einen richtigen Yukata, sondern eher billige Imitate, die direkt aus Deutschland oder aus China kommen. Weil Fakt ist: So ein richtiger Yukata mit allem drum und dran (Untergewandt, Yukata, Obi, Socken, Haarschmuck) ist teuer. Da bist du schnell 200-300€ los, wenn nicht mehr. Also in den japanischen Yukata-Fachläden, die ich in Kyoto gesehen habe, habe ich Yukatas selbst zwischen 14 000 und 40 000 Yen gesehen. Die meisten Deutschen tragen dann ein billiges Imitat für 20-30€, keinen richtigen Obi und auch kein Untergewand darunter.
Und das ist halt nicht nur Aneignung, es ist eben auch Respektlos der Kultur gegenüber.
Wie gesagt: Wenn du dir in Japan einen richtigen Yukata leihst, dann bist du dafür - also für das Leihen - 35-70€ für vier bis fünf Stunden los. Um das ins Verhältnis zu setzen, wie viel so ein Ding wert ist. (Ist aber tbh auch die einzige Möglichkeit so als Weißwurst in das Ding reinzukommen - weil es ist sehr, sehr viel Aufwand so einen Yukata korrekt anzuziehen.)
Und grundlegend hängt kulturelle Aneignung mit den folgenden Punkten zusammen:
- War die Kultur, aus der genommen wird, negativ vom Kolonialismus beeinflusst?
- War die Kultur, in die übernommen wird, selbst kolonialisierend?
- Werden die Leute, zu deren Kultur es gehört, heute rassistisch diskriminiert? (Bonus: Werden sie spezifisch für die Dinge diskriminiert, die hier übernommen werden?)
- Hat das Element, das übernommen wird, eine bestimmte kulturelle Bedeutung? (Diese kann Religiös oder traditionell sein, kann aber eben auch historisch gewachsen sein, bspw. als Symbol für anti-koloniale Revolutionen.)
- Macht derjenige, der es übernimmt, auf irgendeine Art Profit davon oder profiliert sich darüber?
- Wird bei der Übernahme Sichtbar gemacht, aus welcher Kultur es stammt?