Die Finsternis raubt jeden Schein,
drum fürcht nicht mehr um dein Sein.
Kein Unterscheiden, keine Diskrimination.
Dein Wille? Wir warten schon.
Ruf uns gleich, zögere nicht.
Beschwörer aus dem Licht,
ruf aus unsere Namen
und wir schenken dir unsere Gaben.
Das ist unser Versprechern, unser Schwur
du musst nur...
Diese und weitere Formeln dieser Art reihten sich vor Zanza's Augen zusammen, der sich es in seinem Bett gemütlich gemacht hatte. Ein dickes und vor allem altes Buch lag auf seinen Knien aufgeschlagen. Auf dem schwarzen Einband stand in einer unidentifizierbaren Schrift mit goldenen, großen Lettern der Titel. Leider könnte ihn wohl niemand außer dem Wahrsager oder einer seiner Freunde (welche ihm die uralte Sprache überhaupt beigebracht hatten) lesen, geschweige denn sprechen. Das war allerdings auch ganz gut so, denn die Sprache war nicht gerade sehr angenehm für die Ohren. Der junge Kartenleger hatte schon viele dieser Bücher von "dunkler Magie" durchstöbert. In jüngeren Jahren wollte er so versuchen, seine nekromantischen Kräfte los zu werden, doch als er sich immer mehr mit den Seelen angefreundet und seine Kraft zu akzeptieren gelernt hatte, wich dieses Ziel der Neugier. Er fragte sich, ob die alten Rituale (wovon viele nun seinen Körper schmückten) einen Funken Wahrheit mit sich führten und vielleicht irgendwo einen Hinweis auf den Ursprung seiner Fähigkeit finden ließ. Natürlich fand er die Wahrheit erst heraus, nachdem Alica ihn aus dem Waisenheim geholt hatte, allerdings verbuddelte er sich dadurch nur noch mehr in diesen Büchern. Die Alten der Bruderschaft hatten schließlich durch irgendeine Art von Ritual die Kraft des Rosetta Liuroum in ihnen erweckt, also konnte es doch gut möglich sein, dass irgendeines der alten Bücher Möglichkeiten enthielt, mit der sie diese Kräfte beeinflussen konnten. Denn wenn er sich auch mit seiner Kraft abgefunden hatte...könnte er trotzdem auf gewissen Aspekte verzichten.
Ein lauter Gong erschallte in der Anstalt und ließ den Blauhaarigen aufhorchen. Nur kurz legte er das Buch aus der Hand, um seine Haube wieder aufzusetzen und aufzustehen. Selbst als er losging vergrub er den Blick wieder im dicken Wälzer und fuhr ohne aufzusehen mit einer Hand über das goldene Rad, welches immer noch langsam drehend in der Luft hing. Goldener Staub stieg von der Spur auf, die Zanza's Finger auf dem Rad zeichneten und kaum eine Sekunde später verschwand die Verkörperung der Karte, sowie die drei Spinnen in der Ferne. Die anderen Erleuchteten auf dem Weg zum Speisesaal würdigte er keines Blickes, fand seinen Weg allerdings aus Gewohnheit recht einfach. Dass er den Weg aber ohne einen Zusammenprall mit der Wand beziehungsweise einer anderen Person schaffte, verdankte er nur Death, der sich wieder neben ihm materialisiert hatte. Der Anblick des Sensenmannes erschreckte nicht wirklich jemanden, war doch sein Zusammensein mit dem Wahrsager Alltag. Im Speisesaal hatte der Geruch nach Spagetti die Vorherschafft und die beiden reihten sich wortlos in die Schlange ein. Nachdem Zanza sich einen Teller mit Tomatensoße besorgt hatte, den der Tod netterweise für ihn hielt und er damit weiter in seinem Buch lesen konnte, ließ er sich an einen freien Platz nieder. Die Karte mit der Nummer Dreizehn stellte den Teller neben dem dicken Wissensträger ab und der Kartenleger fing nebenbei an zu essen, während sein Freund still stehen blieb und den Blick unter der Kutte aufmerksam durch den Raum gleiten ließ. Die Irrlichter um den Wahrsager tanzten währenddessen ihren unnatürlich Tanz weiter, aber auch an den hatten sich die anderen Erleuchteten mittlerweile gewöhnt. Nur einmal blickte Zanza auf, als ihm einfiel etwas Wichtiges vergessen zu haben. Aus den Tiefen seines Gewandes holte er einen Glaszylinder hervor, dem zwei Skelette als Ständer und ein Totenkopf als Stopfen diente. In diesem befand sich eine suspekte neongrüne Tinktur. Ohne zu zögern zog der Wahrsager den Stopf und vergoss die Flüssigkeit über sein Mahl. Nachdem der Behälter vollkommen leer war, verstaute er ihn wieder in seinen Gewändern und fuhr sowohl mit dem Lesen als auch mit dem Essen fort, wobei er mit deutlich mehr Elan zulangte.
Der Grünäugige gab dem umliegenden Raum nur wenig seiner Aufmerksamkeit, gerade genug um zu merken, dass die Leiterin der Anstalt die Erklärung für die Neulinge gestartet hatte. Allerdings konnten nicht mal Tomomi's Schrei noch die Ermahnung von Alicia ihn von seinem Buch aufschrecken. Jedoch hörte Death konzentriert zu, vor allem da ihn die Persönlichkeiten der Neuen interessierten. Schließlich musste er aufpassen, dass keiner von ihnen eine Gefahr für seinen lebenden Schützling darstellte. Dabei musste er sich ziemlich über die neue Generation wundern: sie hatten den Stern und die Resonanz ihrer Zeichen deutlich gesehen, gerade so eine der Bestien überlebt und es war trotzdem nicht genug, um Alicia zu glauben? Haben die Erkenntnisse der Wissenschaft die Menschen wirklich so unnahbar für das gemacht, was man nicht sehen kann? Also zu meiner Zeit...Der Tod fing sich wieder, bevor er anfing in ferne Erinnerungen zu tauchen. Zu seiner Zeit war es ganz natürlich die Macht des Rosetta Liuroum anzurufen um dies zu wirken, was heutzutage nur als Magie in Fantasy-Romanen übrig geblieben war. Es war eine Schande, dass die modernen Menschen nicht mehr für die Rituale von damals empfänglich sind. Dadurch konnte er nicht mal Zanza etwas davon beibringen. Seine eigenen Kräfte konnte er ebenfalls vergessen, schließlich war sein Körper nur geliehen. Mit einem leichten Kopfschütteln brachte der Sensenmann seine Aufmerksamkeit zu dem Streit vor ihm. Ein verächtliches Schnauben entfuhr ihm, während Marika und Samuel wohl darüber diskutierten, wer das gefährlichere Leben hatte. Beide sollten sich wirklich freuen, überhaupt am Leben zu sein. Na ja, sie werden das in einigen Jahrzehnten noch lernen. Ich werde Mal ein Auge auf beide werfen. Im Gesamten war der Sensenmann unparteiisch in dieser unsinnigen Meinungsverschiedenheit, aber er musste Marika ein klein wenig zustimmen. Der junge Mann schien nicht zu begreifen, dass nun, da er den Bestien aufgefallen war er in größeren Schwierigkeiten steckte als je zuvor, vollkommen egal was vorher war. Ein anderer Schwerpunkt war der Clown Laverne. Der Typ ist eine Gefahr ganz anderer Art dachte sich Death trocken. Ruhig wartete die Verkörperung der Karte Nr. 13 Alicia's Ermahnung sowie Aufforderung für den nächsten Tag ab und erst als sich langsam alle Erleuchteten erhoben legte er Zanza eine knochige Hand auf die Schulter. Dieser hob seine Augen von dem Buch und sah sich verwirrt in dem beinahe leeren Speisesaal um, bevor er sich zu seinem toten Freund umwand. "Hab ich was verpasst?" Der Tod kicherte und antwortete: "Nein. Nichts Wichtiges." Auch die Irrlichter um ihn herum vibrierten leicht vor Lachen. Schulterzuckend erhob sich der Wahrsager und nachdem er sein Tablett weggebracht hatte, verließen beide den Saal.
Als die beiden ungleichen Freunde im Zimmer Nummer 5 ankamen verzog sich das Lächeln des Blauhaarigen kurz zu einer Grimasse. Er hatte wieder mal vergessen die Kerzen zu löschen. Alicia hatte ihn schon mehrmals deswegen ermahnt, die Feuerquellen nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Seufzend stellte der Kartenleger das dicke Grimoire zurück zu seinesgleichen ins Regal. Darauf schälte der Nekromant sich aus seinen langen Gewändern und Schuhen, bis er nur noch ein T-Shirt und Unterwäsche trug. Sauber gefaltet legte er sie auf dem Schreibtisch ab und löschte die Reste der Kerzen. Gähnend ging er auf sein Bett zu, doch als er direkt davor stand zögerte er noch einmal. Schließlich legte er sich jedoch hinein und zog die Decke bis zum Kinn. Nachdem der Wahrsager und der Tod nochmal eine gute Nacht gewünscht hatten schloss Zanza die Augen und war bald eingeschlafen. Death stand noch eine Weile da, bevor er sich auflöste um ebenfalls zu ruhen.
Das Aufwachen war nicht wirklich sanft. Laute, nervige Musik riss den Kartenleger aus seinem unruhigen Schlaf. Den Sand aus den Augen blinzelnd sah er sich im Raum um. Dabei fiel ihm die kunterbunte Gestalt auf, die sich vor dem Spiegel wohl zurecht machte. Anscheinend war Laverne sein Bettnachbar. Nicht gerade der Glückstreffer, aber es gab schließlich auch Schlimmeres. Wirklich.
Trotzdem warf Zanza ihm erst mal einen verärgerten Blick zu, bevor er sich einer Uhr an der Wand zuwandte und leise fluchte. Er hatte das Frühstück verschlafen. Ein Schauer lief ihm den Rücken herunter und einen Moment spielte sich Panik auf seinem Gesicht ab, als Fetzen der letzten Nachtruhe in ihm hochkamen, die er sofort unterdrückte. Schließlich rutschen seine Züge wieder in sein übliches Lächeln und er sammelte seine Sachen zusammen, um sich für den Tag fertig zu machen. Als der Wahrsager sein Gewand überstreifen konnte, war der nervtötende Lebende bereits verschwunden. Er vermutete, er müsste wohl bei der Vorstellungsrunde sein, von der Death ihm glücklicherweise berichtet hatte. Nervosität machte sich in Zanza breit, als er dazu überging, die Kerzen zu löschen, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und hastig zu seinen Karten griff. Begleitung war nötiger denn je. Wild suchte er in dem Stapel nach denjenigen ab, die er beschwören konnte, bis ein leichtes Glühen seine Aufmerksamkeit fing. "Hmmm, stimmt. Schon ne Weile her, seit ich dich raus gelassen habe, oder?", murmelte er nachdenklich, die Nervosität für den Moment vergessen. Der Wahrsager zog die entsprechende Karte hervor und schloss die Augen, als er sich auf die Kraft konzentrierte, die ihm der Stern "geschenkt" hatte. "Nr 18, der Mond: Der Schatten unserer Träume." Ein Flackern ging durch die Luft um den Kartenleger herum, als die Irrlichter um ihn begannen aufzuflammen. Auch die Toten mussten regelmäßig ruhen. Im Gegensatz zu den anderen Beschwörungen passierte diesmal nicht viel, außer das die Karte in seiner Hand aufleuchtete. Trotzdem nahm das Lächeln des Nekromanten einen zufriedeneren Ton an, während er den Raum verließ. Bevor sich jedoch die Tür schloss kroch ein Schatten aus dem Dunkel. Vollkommen unabhängig vvom Licht kroch der Schemen sogar über Wand und Decke, bis er in Zanza's eigenem Schatten verschwand.
Der Klassenraum indem sich die anderen Erleuchteten niedergelassen hatten-er seufzte vor Erleichterung und Verlegenheit, da er zwar der Letzte von ihnen aber vor Alicia da war-weckte einige der besten und peinlichsten Erinnerungen in seinem Kopf und der Wahrsager hielt einen Moment inne, bevor er sich zurück riss und einen freien Platz einnahm. Als die Leiterin der Anstalt in Begleitung einiger der anderen Anwohner der Anstalt auftauchte, die Zanza zu seiner geschätzten Familie zählte, erzählte sie gleich von dem nächsten Einkaufstrip, an dem sie teilnehmen durften. Der Blauhaarige beschloss, vorher zumindest einen kleinen Happen als Ersatz für das Frühstück zu sich zu nehmen. Schließlich ging die Vorstellungsrunde los und mit einmal fühlte der Grünäugige die Nervosität wieder hochkommen. Ein beruhigend kühler Hauch zog über seine Schultern, die ein wenig herabsackten. Immer noch leicht aufgeregt fing der Wahrsager an, seine Karten zu mischen. Mindestens zwei der Anwesenden schienen immer noch misstrauisch gegenüber der Situation, denn sie sagten nichts über ihre Fähigkeit oder sonst etwas über sich. Wenn es ihnen so missfällt, warum sind sie dann hier? fragte sich der Nekromant verwirrt. Sie hätten schließlich schon längst verschwinden können, wenn sie so einen Platz wie die Anstalt nicht brauchten. Die Meisten schienen sich zumindest ein wenig erwärmt zu haben. Laverne's Vorstellung ignorierte er aus Prinzip. Der Kartenleger schluckte. Lieber früh als spät. Er nahm seinen Mut zusammen und fing dann mit gesenktem Blick an zu sprechen: "Nun...mein Name ist Zanza Aikan. 18." Er räusperte sich ein wenig, um auch noch den Rest rauszukriegen. "Ich denke...man kann...*ahem*.. .mich als Nekromant bezeichnen. In Gegensatz zu anderen Menschen oder Unsereins kann ich die Seelen der Verstorbenen sehen und für andere sichtbar machen. Allerdings kann ich ihnen mithilfe eines Mediums auch Körper geben, wie die Meisten schon gesehen haben..." Zum Schluss hin wurde Zanza immer leiser, bevor er erleichtert seufzte, dass er es hinter sich hatte. Aber wie um seine Behauptung zu untermeißeln und eine Warnung zu liefern, löste sich der Schatten einen großen Kopfes aus seinem und das Abbild eiskalter Augen leuchtete von der Wand auf.