Es muss nicht jedes Thema logisch begründet werden, um Gültigkeit zu haben. Ich meine, wir können uns denke ich auch darauf einigen, dass es scheiße ist Leute zu beleidigen. Und warum ist das scheiße? Weil es Leute emotional belastet.
Grundsätzlich ja. Ich denke nur, dass jemanden zu beleidigen und sich beleidigt fühlen zu einander nicht immer kongruent sind. Im Falle einer aktiven Beleidigung habe ich ja die explizite Intention, jemandem zu schaden. Im letzteren Fall hingegen rührt die Verletzung und Belastung ja in erster Linie aus der eigenen, subjektiven Interpretation der Umwelt, die möglicherweise auf einer falschen Prämisse beruht.
Gegenbeispiel: Religion und religiöse Menschen. Für tiefgläubige Menschen ist ihre Religion ihr Heiligtum, und religiöse Freiheit gibt es aus gutem Grund. Nur wissen wir, dass religiöser Glaube oft mit Homophobie, Frauenfeindlichkeit und einem generellen Konservatismus und Traditionalismus einhergeht. Gleichgeschlechtliche Ehe? Ein No-Go, und immerhin ist Ehe (bzw. institutionell geschlossene Ehe) ein vornehmlich religiöses Konzept oder hat sich als solches etabliert. Müssen wir also Rücksicht nehmen auf religiöse Gefühle? Beleidigen wir religiöse Menschen, oder ist es eher die Interpretation religiöser Menschen von ihrer Umwelt?
Deshalb ist es hier meiner Meinung nach schon wichtig das zu diskutieren, weil es nicht nur darum geht, Rücksicht auf die Bedürfnisse seines persönlichen Umfelds zu nehmen, sondern um die Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, Was nicht heißt, dass der Diskurs als solcher rücksichtslos sein muss; Empathie und Feingefühl ist durchaus angebracht. Auch bin ich natürlich der Meinung, dass nicht jede Form oder Vorwurf der kulturellen Aneignung diskutiert werden muss; bei manchem ist es halt einfach plain obvious und zu unterlassen.
Speziell zum Thema Dreadlocks bei weißen habe ich einen Thread auf Quora gefunden, den so einige Schwarze und auch manche PoC kommentiert haben:
Do black people care if white people wear dreads?
Und es scheint doch so, als ob es den meisten tatsächlich egal wäre, manche weisen sogar den Anspruch von sich, Dreads der eigenen Kultur zuzuschreiben, eben weil sie so weit verbreitet waren. Ist jetzt natürlich keine repräsentative Umfrage, aber du hast jetzt auch nur auf deine Freund*innen als anekdotische Evidenz verwiesen (es sei denn, es gibt eine repräsentative Umfrage hierzu. Ich habe nur eine Umfrage bezüglich Blackfacing und dem tragen traditioneller Kleidung anderer Kulturen durch weiße gesehen, und bei letzterem hat tatsächlich die knappe Mehrheit an BPoC gesagt, es ist grundsätzlich oder in manchen Fällen in Ordnung. Bei Blackfacing waren verständlicherweise die meisten dagegen [1]). Und an dieser Stelle ist es absolut korrekt, deinen Freund*innen zuliebe auf Dreads zu verzichten, wenn es für sie mit einer emotionalen Belastung einhergeht. Andererseits müssen deine Freund*innen ihrer Emotionalität zum trotz so gerecht sein und sagen, gesamtgesellschaftlich kann der Diskurs nicht alleine von ihrer Emotionalität abhängig gemacht werden, weil dies ungerecht allen anderen Parteien gegenüber wäre - und hier meine ich nicht nur die privilegierte, weiße Mehrheitsgesellschaft, sondern auch denjenigen Teil der black community, über die man sich mit dem Anspruch der Deutungshoheit hinwegsetzt.