Alles anzeigenAlles anzeigenIch finde diesen Gedankengang bedenklich, bzw. entwertend für betroffene Menschen. Bei der Pensionskasse schauen wir auch nicht darauf, ob der einzelne Bezüger sich für die Kasse "lohnt" oder nicht und jemand Externes kann weniger gut als die Person selber beurteilen, was zumutbar ist und was nicht zumutbar ist.
Persönlich bin ich froh, wenn ich nicht auf dieses System angewiesen bin und es macht mir nichts aus, dass Abgaben von meinem Lohn an andere gehen. Tatsächlich bin ich dankbar, dass ich zumindest "gesund"/funktionell genug bin, einer Arbeit nachgehen zu können und ich bin auch der Ansicht, dass es keine faulen Menschen gibt (gutes Essay dazu hier: https://craft.phwa.ch/faulheit). Niemand wählt freiwillig das Schicksal, den ganzen Tag Zuhause zu sitzen und da spielen viele Faktoren mit hinein, warum jemand nicht Energie/Antrieb für mehr hat, bzw. sich einbunkert und dem von dir genannten Solidaritätsprinzip nicht nachgehen kann.
Jemand von aussen das beurteilen zu lassen, der gar nicht den gesamten Kontext der einzelnen Person wissen kann, finde ich bedenklich. Generell finde ich es entwürdigend, wenn man sich in der Position sieht, diesen Menschen vorschreiben zu wollen, was sie tagtäglich zu tun haben.
Deshalb bin ich z.B. bei Obdachlosen auch dafür, ihnen Geld und nicht irgendwelche bemutternden Lebensmittelmarken zu geben. Wenn sie sich dann damit Alkohol kaufen, wieso sie dafür verurteilen? Eventuell ist es das Einzige, was sie den kalten Tag irgendwie besser durchhalten lässt. Man sollte andere Menschen nicht vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben, nur weil man sich in der überlegenen Position sieht.
Sehe ich um ehrlich zu sein etwas anders. Klar kann man nicht alle über einen Kamm scheren, es gibt individuelle Schicksale. Das System ist, wie hier erwähnt wurde, dazu da, Menschen, die in dieses System eingezahlt haben, aufzufangen und ihnen die Möglichkeit zu geben sich umzuorientieren. Aber wenn wir Langzeitarbeitslose in einem völlig arbeitsfähigen Alter haben, die jetzt nicht gerade eine attestierte Arbeitsunfähigkeit haben, dann ist es meiner Meinung nach gerechtfertigt, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren und ihnen Leistungen zu kürzen, sollten sie Angebote ohne nachvollziehbaren Grund ablehnen. Und natürlich darf man sich dann anmaßen, dies zu beurteilen, denn immerhin erhält diejenige Person finanzielle Unterstützung vom Staat, von den Steuern, die Arbeitende zahlen. Was soll das heißen, Sozialleistungen zu kassieren und dann zu sagen, man wäre niemandem eine Rechenschaft schuldig?
Ich bin auch niemand der sagt, Superreiche würden so unfassbar hart arbeiten, dass sie sich ihren unverschämt hohen Reichtum verdient haben und ich bin auch der Meinung, in einer idealen Gesellschaft gäbe es eine vernünftige Umverteilung, ein gewisses bedingungsloses Grundeinkommen für alle, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Aber da sind wir halt noch weit von entfernt.
Und du weißt dementsprechend wohl auch wie erniedrigend diese "Attestierungen" sind und wie häufig die Krankheiten, Behinderungen und co. von Menschen heruntergespielt werden, damit nicht gezahlt werden muss / man diese Leute weiterhin jeden möglichen Job hinwerfen darf?
Es geht ja nicht nur um Arbeitsunfähigkeit, sondern auch um einfache Bitten, die ich damals hatte wie "ich hab Asthma, ich kann Job X und Y nicht" und an sich kam ich gut mit meiner Betreuerin aus, aber sie war trotzdem verpflichtet ein Attest anzufordern, wenn sie mir diese Jobs hätte geben müssen. Aber dazu kam es nie, weil man halt Menschen mit Matura nicht jeden Scheißjob vorwirft.
Mir hat es schon gereicht sich von Amtsärzten durchleuchten zu lassen, damit mir Kosten von meiner Wahlpsychiaterin und Psychotherapie zurückerstattet wird. Da waren auch sehr private Fragen dabei bei denen ich darauf bestehen wollte, dass das Amt oder den Amtsarzt nichts anginge und die meinten halt "dann wollen Sie wohl nicht, dass wir für Ihre Kosten aufkommen."
Egal ob es ein Attest über körperliche oder psychische Krankeiten, Neurodivergenzen oder eine Bescheinung "dass man tatsächlich trans ist" handelt, sie sind immer bevormundend bishin zu erniedrigend, je nachdem wie die Ärzt*innen grad drauf sind. Letzteres muss ich leider hinter mich bringen, weil ich wohl kaum eine Mastektomie an mir selbst durchführen kann.
Ich finde außerdem nicht, dass den Staat / das Amt überhaupt angehen sollte was ich habe oder nicht. Sobald jemand arbeitslos wird oder eine Förderung einreicht, ist es so, als ob es selbstverständlich für den Staat wäre Menschen teilweise zu entmündigen und entrechten, sobald sie nicht in einem Arbeitsverhältnis sind bzw. wenn zukünftig immer seltener Bargeld verwenden wird, ist man dann tatsächlich gläsern und unter ständigen Kontrolle. Da fragt man sich, wieso darf man Arbeitslose durchleuchten und andere Menschen nicht?
Und glaub mir, es ist schön niemanden / den Ämtern keine bis weniger Rede und Antwort zu stehen, wenn man eine Arbeit hat, aber wenn ich keine Freude aus meiner Arbeit und Bildung ziehen würde, wäre ich dann doch lieber wieder arbeitslos, weil es nunmal gegen meinen Grundsatz geht Tätigkeiten und Beziehungen nachzugehen, die keinerlei Freude und Sinn in mein Leben bringen, und einer Tätigkeit nachzugehen um einfach nicht nur zu verhungern, oder die Alternative hat von einem Amt gegängelt zu werden, wäre jetzt auch kein "Sinn".
Ansonsten kommt mir das gesamte Prinzip und Staatssystem so unwirklich vor. Man wird in einer theoretisch freien Welt geboren, aber gleichzeitig von Bürokratie und Staat in seine Rahmen zurückgeschoben und gegängelt. Darüber nachzudenken, dass kein Gesellschaftssystem "natürlich" entstanden ist, sondern Menschen an der Macht beschließen, dass Millionen andere so leben und sich der Gesellschaft oder Gemeinschaft (etwa in Form einer Religion) verpflichtet fühlen ... kommt mir ein bisschen wie ein Fiebertraum vor lol.
Und Leute akzeptieren das einfach so, dass ihre Welt so funktioniert, dass viele Menschen 9-5-Jobs haben, die sie nicht mögen, aber gleichzeitig stolz drauf sind, dass sie diese dennoch ausführen bzw manche auf andere hinbeißen, die beginnen zu hinterfragen "wait, wieso sollte ich mein Leben mit einem Job verschwenden, der mir persönlich nichts bringt?"
Wenn du ein bedingungsloses Grundeinkommen als Ideal ansiehst, warum befürwortest du gleichzeitig, dass Menschen ohne Arbeit unter bestimmten Bedingungen sanktioniert werden? Die aktuelle Höhe des Bürgergeldes stellt imo - wenn überhaupt - die untere Grenze eines BGE dar, damit es noch irgendwie als sinnvoll betrachtet werden kann und dieses Minimum sollte wirklich nicht unser Ziel sein.
Weil dieses Grundeinkommen jedem zustehen würde durch eine faire Umverteilung - wie auch immer diese jetzt in der Praxis aussieht. Aber im Rahmen des jetzigen Systems erachte ich Langzeitarbeitslose, die arbeiten könnten - selbst wenn nur Teilzeit oder auf Minijob-Basis, als ziemlich unsolidarisch.
In diesem Kontext halte ich auch die Diskussion darüber, dass es sowas wie faul sein ja eigentlich gar nicht gibt, für nicht wirklich sinnvoll. Mir ist schon klar, dass ein Mensch nicht dadurch faul ist, dass er keine Lust hat, nem scheiß Job nachzugehen, in dem er sich nicht selbst verwirklichen kann. Aber solche Jobs muss halt auch jemand machen.
Um ein neues System einzuführen, kann man nicht gleichzeitig sagen, dass man sich an das Jetzige zu halten hat, das momentan besteht. Sonst wird nie ein Neues eingeführt (was es sowieso nicht wird, dafür sind viele Leute zu bequem auch nur das Jetzige zu kritisieren).
Die meisten Scheißjobs sind es halt auch nicht wegen ihrer Tätigkeit, sondern wegen Bezahlung und Arbeitszeiten- und Bedingungen. Es gibt immer jemanden, der gerne im Verkauf oder Lager, in der Reinigung oder sonstwo arbeiten möchte, aber die Bedingungen will halt kaum jemand.
Sowohl im Job als auch Ansehen des Jobs. In meiner Oberstufe hat ein reiches Mädel der Reinigungskraft Verpackungen von Schokoriegeln vor die Füße geworfen und dumm gegrinst. Wir sind sie zwar angegangen, aber wer will diesen Job gerne machen, wenn dir manche Leute fast wortwörtlich vor die Füße spucken. Plus eben unmenschliche Bezahlung und co.
Meinetwegen kann man es sogar einführen, dass man die Steuern weglassen darf auf Wunsch. Dann aber bitte auch keine Sozialleistungen wenn man mal arbeitslos wird, für die Leute, die das weglassen, sollen die dann selber schauen, wie sie klarkommen, wenn sie das System, welches sie auffangen soll nicht unterstützen möchten.
Da würde ich mich sehr entschieden dagegenstellen. Zum einen würde es im Umkehrschluss bedeuten, dass der Staat es sich erlauben würde, Menschen mit voller Absicht verhungern zu lassen (abseits von Menschen, die jetzt schon durchs Sozialsystem durchrutschen) zum anderen befürchte ich, dass die falschen Gruppen, nämlich Menschen mit geringen Einkommen, auf die soziale Absicherung verzichten würden um zumindest kurzfristig eine bessere finanzielle Lage zu haben. Bei der finanziellen Grundsicherung sehe ich es so, dass absolut jede Person in Not sie erhalten sollte, so wie auch jeder Mensch notwendige medizinische Hilfe erhalten sollte - allein aus menschlichen Beweggründen. Deshalb halte ich einen optionalen Ausstieg aus dem Sozialsystem für nicht vertretbar. Und selbst wenn man die Sache einschränkt und nur Menschen mit hohem Einkommen einen Austritt aus der staatlichen Sozialversicherung erlaubt, spreizt man damit nur die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf - siehe das Problem mit den privaten Krankenkassen.
Eben das. Zumindest Nahrung, Obdach, Transport und Krankenkasse sollen für einen jeden Menschen offenstehen, weil das nunmal Menschenrechte für alle sind. Plus ein wenig füt den Privatgebrauch, was auch immer da anfällt zb für neue Haushaltsgeräte oder Hobbies und Bildung.
Wenn man den Ausstieg aus dem Sozialsystem erlaubt, werden es nur Reiche in Anspruch nehmen, die sich freuen keinerlei Steuern mehr zahlen zu müssen.