Hey ~Gary227~ =)
Es freut mich, dass ich dich bewichteln durfte und entschuldige mich gleichzeitig, dass mein Geschenk auch erst so spät kommt, aber ich bin an Weihnachten immer tierisch im Stress, wodurch ich erst nicht dazu kam, die Geschichte aufzuschreiben. Ich hoffe sehr, dass sie dir gefällt. Meiner Wenigkeit fällt es nämlich immer etwas schwer, etwas Weihnachtliches zu kreieren, da ich eher einen melancholischen Schreibstil habe. Aber in diesem Fall habe ich das einfach mal verbunden. Vielleicht mag die Aussage des Textes etwas schnulzig klingen, aber an schwierigen Tagen mag dich diese vielleicht sogar aufmuntern.
Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest und komm gut ins neue Jahr. ^_^
Flocken vielen lautlos vom Himmel. Sanken tänzelnd durch die Lüfte, um die Erde schließlich unter ihrem weißen Mantel zu begraben. Das prachtvolle Weiß zierte bereits Straßen und Häuser, überzog sie in einem schimmernden Glanz. Die Nacht hatte sich über den Tag gelegt und brachte mit ihrer dämmernden Schönheit die Dunkelheit über die kleine Stadt, die zwischen all dem Schnee herauslugte. Sie schien verlassen, der Ort war wie leer gefegt und nur wenige Autos fuhren auf dem bedeckten Asphalt. Kaum ein Mensch wagte sich in dieser eisigen Kälte heraus, sondern blieb lieber in seiner warmen Behausung. Was gab es auch daran auszusetzen? Die Läden waren bereits geschlossen; alle Geschenke besorgt. Es war ein Weihnachtsfest wie jedes Jahr: Draußen kalt, doch innen wird es warm, wenn Menschen einander lieben. Mit Familie oder Freunden Weihnachten zu verbringen, das ist, was das Fest ausmacht, oder nicht? Wie sollte man schließlich ein Fest alleine verbringen? Auch er stellte sich jährlich diese Frage. Er, der nun sehnsüchtig aus dem Fenster blickte und das stille Sinken der Flocken betrachtete. Seine Arme hatte er auf die Fensterbank gelegt und sein Kopf ruhte auf diesen. Jedes Jahr aufs Neue hasste er die Weihnachtszeit. Menschen, die einander haben, hatten nur sich im Blick, doch was war mit denen, die allein waren? Was war mit ihm?
In seinen Augen sammelten sich Tränen. Tränen, die er so oft versucht hatte, zu unterdrücken. Auch wenn er es schwer gehabt hatte. Doch wenn er nun daran zurück dachte, konnte er es nun nicht länger unterdrücken. Seine Emotionen erdrückten sein Herz förmlich und er spürte, wie sein Atem sich verkrampfte, als er zwanghaft an jenen schrecklichen Tag zurückdachte. Wie ein verschwommenes Bild sah er die Ereignisse wieder vor seinen Augen abspielen.
Überall waren bunte Lichter. Die Straßen waren dekoriert mit funkelnden Lichterketten, die sich von Haus zu Haus baumelten und alles in ihren glänzenden Schein warfen. Seinen Blick konnte er nicht von diesen tollen Verzierungen lassen, die an Weihnachten die Stadt füllten und sein Herz mit Wärme durchfluteten. Während sie Auto fuhren waren es zwar mehr nur leuchtende Schemen, die an der Scheibe vorbeizogen, doch er liebte sie. Eng hatte er seinen neuen weichen Teddybären an seinen Leib gezogen und umschlang ihn, als würde er ihn nie mehr loslassen. Seine Eltern hatten ihm diesen tatsächlich geschenkt und er würde ihn behüten wie einen Schatz.
Es war wie immer so. Nach Heilig Abend fuhren sie zum Essen aus, um den Tag ruhig abklingen zu lassen. Wie auf keinen zweiten Tag freute er sich darauf, wenn der Kalender die Zahl 24. Dezember zeigte und endlich war es soweit. Während seine Augen durch die harmonischen Lichter, die an seiner Scheibe vorbeizogen, immer schwerer wurden, fühlte er, wie sich langsam der Schlaf über sein Haupt legte und ihn schließlich sanft einhüllte.
Hätte er doch nur noch die Zeit genossen, wäre er doch nur wach gewesen, dachte er im Nachhinein. Aber er konnte nichts mehr ändern. Es war zu lange her, doch noch immer war die Wunde, die es in seinem Herzen hinterlassen hatte tief. Zu tief, als dass sie jemals wieder schließen könnte. Doch von dem, was geschehen war, wusste er nur noch Fetzen.
Es war zu plötzlich. Der Schmerz rüttelte ihn durch. Es pochte, die Lichter waren aus. Um ihn herum standen Menschen. Sie riefen etwas, sie schauten ihn an. Doch seine Welt war nur verschwommen. Er konnte das Bild nicht richtig deute. Wer waren die ganzen Leute? Und was wollten sie von ihm. „Helft dem Jungen“, hörte er schließlich eine Stimme sagen. Vor ihm sah er plötzlich deutlich den grauen Asphalt, doch er war dreckig. Beträufelt mit blutroter Farbe… Was hatte das nur zu bedeuten? Er griff mit seiner Hand vor sich, er wollte das nicht länger sehen. Doch der Geruch… Dieses Rot… es war Blut? Er sah einen Bären… nein, nicht irgendeinen, es war seiner. Sein Braun war nicht mehr so samt und weich, wie es sonst war, nein, es war zerfetzt. Zerstört. Hinüber. Doch ehe er alles erfassen konnte, ehe er alles verstand, dröhnte sein Schädel, drückte ihn mit aller Kraft zu Boden, bis die Schwärze ihn abermals umgab. Ein kalter zerdrückender Schrei war alles, was ihn in diese graue kalte Welt der Ungewissheit führte.
Schwer atmend versuchte er sich aus seiner Erinnerung zu lösen. Immer wieder kochten sie in ihm hoch und er konnte sich nicht wehren, so sehr er es auch wollte. Die Tränen flossen ihm durch das Gesicht und mit seiner dürren kalten Hand verbarg er sie. Verbarg sein Antlitz, welches ihn jeden Tag aufs Neue schmerzte. Denn er lebte. Er strich sich die Haare aus der Stirn und versuchte mit allen Mitteln, seine wiederkehrenden Gedanken zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht. Mit schluchzendem Laut musste er das ertragen, was ihn jedes Mal aufs Neue quälte.
Ein weißer Raum bot sich ihm, als er seine Augen langsam öffnete. Sein Körper war auf ein blankes Bett gefesselt, von weisen Bandagen umschlossen und mit mehreren Schläuchen versehen, die in einer Art Maschine endeten, die unaufhaltsam in einem nervigen Rhythmus piepsende Laute von sich gab. Was war das? Und wo war er? Seine Erinnerungen waren wie ausgelöscht. Doch plötzlich sprach dieses faltige alte Gesicht zu ihm und er konnte nur Brocken der Sätze verstehen, da seine Wahrnehmung einem Chaos gleich kam. Jedoch wusste er sofort, was das alles zu bedeuten hatte: „…Unfall… es tut uns Leid… Eltern… tot …“ Mehr konnte er nicht mehr vernehmen, doch sein Puls stieg, seine Augen wurden wässrig und seine klagenden Schreie konnte zu diesem Zeitpunkt niemand unterdrücken. Niemand, denn es war auch keiner da, der in der Lage dazu gewesen wäre.
Seine Gedanken verblassten wieder und somit auch die Erinnerungen, die in seinem Geist ruhten und ihm immer wieder aufkamen. Sein Körper zitterte. Wie gern würde er das alles vergessen können. Wäre er doch auch nur an jenem Tag gestorben, sagte er sich immer wieder. Doch es war vergebens. Er lebte, nicht so aber seine Eltern, seine einzige Familie. Alle anderen hatten ihn im Stich gelassen. Alle hatten sie ihn verlassen, bis er schließlich in diesem Waisenhaus gelandet war. Zwar waren alle nett zu ihm, bemühten sich, doch es war nicht das Gleiche wie das warme Zuhause und dessen Liebe, die er so sehr vermisste. Laut schluchzend saß er nun da in dem einsamen dunklen Raum, konnte nur den Flocken zuschauen, die leise zu Boden sanken. Sein Blick wanderte zu seinem hölzernen Bett. Auf diesem saß ein Teddy. Er sah alt und verwegen aus. Mehrere Flicken sowie erneut geschlossene Nähte zierten ihn. Es war das Einzige, was er an diesem einen Tag behalten hatte, wenn es auch wehtat, dieses Geschenk heute zu betrachten.
Plötzlich hörte er Jubeln. Fröhliches Gelächter erfüllte das Gebäude. Unerwartet fiel jemand in sein Zimmer. Es war Obaja, eine stämmige Frau, die ihre dunklen Haare wie immer zu einem Dutt geknotet hatte. Sie trug ein rotes Kleid, was mit mehreren goldenen Stickereien versehen war und sah feierlich aus. Ihren Mund schmückte ein Lächeln, doch der Junge konnte ihr nur einen verweinten Blick entgegen werfen. Als sie es sah, senkte sich ihre Miene und Sorgen zierten ihre Züge. Mütterlich kam sie näher und sagte mit sanfter Stimme:
„Aaron… die Feier hat bereits begonnen, magst du nicht runter kommen? Alle warten…“ Das stimmte nicht. Sie konnte auch ohne ihn lachen. Sie waren auch ohne ihn glücklich. Ohne Obaja etwas entgegensetzen zu können, sprang er von seinem Sitzplatz am Fenster auf, rannte an der Frau vorbei und Griff im Lauf noch nach Jacke, Mantel und Schal. Er wollte nicht da sein. Nicht an Weihnachten. Gerade an diesen Tagen wäre er am liebsten nur Luft, die keiner wahrnahm.
„Hey, Aaron! Warte doch“, rief sie ihm hinterher, doch es war vergebens. Er wollte nicht hören, sondern rannte aus dem Zimmer. Den schmalen Flur, der mit etlichen selbstgemalten Bildern behangen war, beachtete er nicht, sondern sein Ziel lag draußen. Schwungvoll zog er sich die braune Jacke über die Schultern, setzte seine karierte Mütze auf und hüllte sich in seinen himmelblauen Schal ein, bevor er die Tür nach draußen aufriss und hinaus sprintete. An dem großen Foyer, wo der riesige Weihnachtsbaum samt den Kindern und Geschenken prangte, war er absichtlich vorbei gegangen. Sollten sie sich doch freuen. Für ihn gab es heute keinen Grund dafür.
An der eisigen Luft schlug ihm direkt die Kälte entgegen, die ihn nach und nach einnahm. Dennoch stoppte er seine Füße nicht. Immer weiter rannte er die Straße entlang. Einfach nur weg, war sein Gedanke. Egal wohin, egal wie weit. Sein warmer pulsierender Atem stieg in Dünsten in die Luft und sein hämmerndes Herz schlug ihm bis zum Hals. Wie lang er nun wohl schon so lief? Auch auf ihm legten sich allmählich die Flocken dieses kalten Winters nieder, begruben ihn unter ihrer glitzernden Pracht. Hin und wieder stolperte er, da der Schnee seinen Tritt unsicher machte. Zu allem Überfluss hatte er es nicht mal geschafft, seine Stiefel anzuziehen, wodurch er nun in Pantoffeln durch die größtenteils bedeckten Straßen stapfte. Schließlich blieb er stehen und stützte seine Arme auf die Oberschenkel. Er war völlig außer Atem und seine Tränen wollten noch immer nicht aufhören zu fließen, was seine Sicht deutlich erschwerte. „Wieso ausgerechnet ich?“, fragte er sich immer wieder. Die Straßenlaternen warfen ihre hellen Kegel auf das weiße Dasein und füllten diesen düsteren Abend mit einem wohltuenden Licht. Niedergeschlagen trottete er schließlich weiter durch die Gassen. Der fröstelnde Winter nagte immer mehr an Aarons Körper und brachte seinen ganzen Leib zum Zittern. Er musste sich anstrengen, nicht auch noch mit den Zähnen zu klappern. Hätte er sich doch nicht auf die Straße wagen sollen? Schnell verdrängte er seinen Gedanken wieder und schaute nur betrübt auf den Boden. Er wollte nichts mehr sehen, nichts mehr riechen, nichts mehr fühlen. Weihnachten lastete so schwer auf seinen Schultern, dass er es nicht länger ertragen konnte. Wieder konnte er ein lautes Schluchzen nicht verhindern. Allein daran zu denken, schmerzte ihn.
Als er seinen Kopf nach einiger Zeit wieder erhob, fand er sich in einem Park wieder, den er schon seit langer Zeit nicht mehr besucht hatte. Das Grün war ebenfalls unter dem Mantel des Schnees bedeckt, jedoch sah man die die großen Wipfel der Bäume, wie sie sich in den Himmel streckten. Eine kleine flackernde Laterne kämpfte mit dem Versuch, ihren Schein auf eine unter ihr platzierte Parkbank zu werfen, fiel jedoch immer wieder aus. Aaron schmunzelte kurz, als er das sah und strich mit seiner Hand den Schnee von dem Sitzplatz runter, um sich daraufhin niederzulassen. Schwermütig schaute er in den Himmel, betrachtete das Sinken der Flocken mit seinem tränenbefeuchteten Antlitz. Seine Hände froren, sodass er sie tief in seinen Manteltaschen vergrub und sein Atem stieg auch weiterhin in die Lüfte. Worauf hatte er sich hier nur eingelassen? Sein Sturkopf hatte ihn mal wieder in ein Schlamassel reingeraten, was er vorher nicht hatte aufkommen sehen. Er würde nicht zurückgehen können, denn bestimmt war die Aufsicht des Waisenhaues mehr als nur wütend auf ihn. Schließlich war er einfach alleine davongerannt, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Und in dieser eisigen Kälte konnte er auch nicht ewig bleiben. Was sollte er nun tun?
[font='Helvetica, Verdana, sans-serif']Ein leises Maunzen brachte ihn plötzlich aus seinen vollen Gedanken. Verwirrt schaute er durch den dunklen Park, drehte sich um, schaute wieder nach vorne, doch er konnte nichts vernehmen. War das eben nur seine Einbildung gewesen? Doch nein, abermals hörte er diesen Laut, doch dieses Mal etwas lauter als zuvor. Daraufhin spürte er eine sanfte Regung an seinem Bein, woraufhin er zielstrebig nach unten blickte. Tatsächlich… etwas hatte ihn an sein Hosenbein gestupst. Zwei hellblaue große Augen starrten ihn an. Beide waren von schwarzem zotteligem Fell umgeben, aus dem eine rosa Nase ragte und auf dem Kopf des Tieres saßen zwei Spitze Ohren, die sich nach allen Seiten wandten. Ein kleiner Körper mit vier Beinen sowie tapsigen Pfoten war das Nächste, was er sehen konnte und zum krönenden Abschluss besaß das kleine Geschöpf noch einen wuscheligen dunklen Schweif. Aaron war wie eingenommen von diesem hübschen Aussehen und streckte vorsichtig seine linke Hand nach ihr aus, ohne auch nur einen weiteren Gedanken zu verschwenden. Erst wich die kleine Katze etwas ängstlich zurück, doch dann schien sie neugierig zu sein und stupste vorsichtig mit ihrer feuchten Nase gegen den Finger des Jungen. Dieser fing daraufhin an zu lachen und funkelte das Tier mit seinen kastanienbraunen Augen freudig an. Dem kleinen Geschöpf schien dies zu gefallen und machte einen zutraulichen Eindruck. Der Junge bemerkte jedoch, dass das kleine Kätzchen am Zittern war. Ebenfalls wie er fror es an diesem eisigen Abend und war allein. Es hatte auch niemanden, der sie warmhielt, geschweige denn ihr Liebe entgegen brachte. Ihr bibbernder Leib hielt seinen Blick gefangen. Sie tat ihm Leid, mehr als das sogar. Er konnte regelrecht nachempfinden, wie sie sich fühlte. An so einem festlichen Tag, den man gemeinsam verbrachte, alleine zu sein, kam einer Folter gleich. Schließlich fasste er sich ein Herz, umschloss sanft den Körper des Kätzchens und ließ sie in seine Jacke schlüpfen. Erst spürte er, wie die kalten Pfoten ihn erneut zum Frösteln brachten, aber schon bald machte sich bei beiden eine wohlige Wärme breit, die man mit keinem Geld der Welt hätte bezahlen können. Das kleine Tier wehrte sich auch nicht. Es schien, als würde es diese Nähe genießen, also verharrte sie - eng an Aaron angeschmiegt - in dem Mantel. Bald schon war ein sanftes Schnurren zu vernehmen, woraufhin der Junge die kleine Katze zärtlich streichelte. Sie schloss genüsslich die Augen, als er über ihr weiches Fell strich. Auch wenn noch immer die Kälte an dem Jungen nagte, so verspürte er sie zu jenem Zeitpunkt nicht mehr. Seine Augen galten nur dem kleinen Geschöpf, mit welchem er sich so verbunden fühlte. Und während die Flocken weiter friedlich zu Boden fielen, ihr stilles Schauspiel vollstreckten, hatten sich in dem bescheidenen Park zwei Freunde gefunden. Aaron hatte es die Tränen getrocknet und mit leiser Stimme flüsterte er nun der Katze zu:
„Weißt du, man ist nur so einsam, wie man sich fühlt. Auch wenn man alleine ist, gibt es immer jemanden, der genauso fühlt wie du und dem es vielleicht im gleichen Moment genauso geht wie dir. Daher brauchst du auch nicht traurig sein, denn es gibt immer jemanden, der dich lieb hat, so viel ist sicher.“
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Liebe Grüße, Noxa~